Drohne und Streik – zwei Stichworte, die häufig im Zusammenhang mit Amazon fallen.

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Ralf Kleber ist davon überzeugt, dass seine Mitarbeiter auch ohne Tarifvertrag zufrieden sind.

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Wien – Amazon rüstet sich bereits für Weihnachten. Man stecke mitten in den Vorbereitungen, sagt Deutschland-Chef Ralf Kleber – zuständig für den deutschsprachigen Raum – bei einem Besuch in Wien. "Wir fangen demnächst an, unsere Mitarbeiter in den Logistikzentren einzustellen." Die Zahl der 11.000 Beschäftigten in den neun deutschen Logistikzentren könne sich bis in der Weihnachtszeit nahezu verdoppeln.

Dass dann wieder verstärkt gestreikt werden wird, damit kann Kleber leben, wie er im STANDARD -Gespräch betont. Den Dauerkonflikt mit der Gewerkschaft, die um einen Tarifvertrag für die Mitarbeiter kämpft, nimmt er gelassen: "Wir haben gewählte Betriebsräte, bei uns kommt ein Mitarbeiter nach zwei Jahren auf 2400 Euro brutto. Das sind ordentliche,sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze. Man kann ein fairer Arbeitgeber sein, ohne Tarifvertrag." Auch mit der Frage, was bei den Kunden gefragt sein wird, beschäftigt sich der weltgrößte Online-Händler naturgemäß schon jetzt: "Wir erwarten, dass Virtual-Reality-Brillen unter vielen Weihnachtsbäumen liegen werden. Neue Tablets und Lesegeräte sollten auch dabei sein."

Rüsten für Blitzservice

Ob österreichsche Kunden dann schon das Blitzservice Prime Now nutzen können, das die Lieferung innerhalb einer Stunde für Kunden in Berlin ermöglicht, lässt Kleber offen. "Wir arbeiten hart daran, solche Services möglichst vielen Kunden zur Verfügung zu stellen, das schließt unsere Kunden in Österreich ein."

Das Thema Auslieferungs-Geschwindigkeit sei ohnedies ein Dauerbrenner:"Wir müssen das Angebot ergänzen. Zum Beispiel einen Ein-Stunden-Lieferservice aufbauen, wenn ein Dienstleistungspartner dazu nicht in der Lage wäre oder es nicht in seine Pläne passt." Es geht darum, so Kleber, den Nutzungsgewohnheiten der Menschen zu entsprechen: "Es gibt viele verschiedene Nutzungsgewohnheiten – Momente, in denen dringend etwas fehlt und sie froh wären, wenn sie das innerhalb von einer halben Stunde hätten. Wir wollen dem Kunden Geschwindigkeitsauswahl zur Verfügung stellen. Wir wollen nicht alles in 30 Minuten liefern. Aber wenn der Kunde etwas in 30 Minuten braucht, musst Du ein System gebaut haben, das in der Lage ist, das bereit zu stellen."

Kiste Bier

Was die Ein-Stunden-Lieferung in Berlin betrifft, so sei bei den Kunden vor allem die Kiste Bier gefragt, "das kann aber auch der Barbecue sein. So viele Auslieferungen wie möglich, sind tatsächlich mit dem Cargo-Bike eine Kiste Bier für den Kunden, der um die Ecke wohnt. Oder eine Flasche kühlen Wein und dreimal Sushi für die Kumpels an die Spree." Womit auch das Thema Lebensmittel angesprochen ist, in dessen Versand sich der US-Riese verstärkt engagiert. Vergangenen Herbst startete Amazon Pantry auch für Prime-Mitglieder in Österreich. Verkauft werden über 500.000 verpackte, haltbare Lebensmittel sowie Haushaltsartikel Toilettenpapier und Co.

Was frische Lebensmittel betrifft, so sind sich Experten einig, dass Amazon noch heuer den bisher nur in einigen US-Metropolen und in London angebotenen Lebensmittellieferdienst Amazon Fresh auch in Deutschland starten und frische Lebensmittel bis an die Wohnungstür liefern wird. Der Start von Amazon Now im Mai wird allgemein als Aufwärmen für den großen Coup betrachtet. Kleber hält sich diesbezüglich bedeckt: "Es geht um die Frage: ab wann sagt der Kunde, dass der Fresh-Dienst etwas ist, das ihm einen Nutzen bringt. Lebensmitteleinkauf ist eine sehr starr ausgeprägte Gewohnheit. Sie und ich, wir wissen genau, wo wir unsere Lebensmittel beziehen. Will man in dieser Beschaffungskette einen Stellenwert einnehmen, muss man sich darauf einlassen, was dem Kunden an dieser Stelle wichtig sein könnte." Geschwindigkeit könnte ein Faktor sein.

Drohnen als Teil der Lösung

Was das betrifft, so könnten wiederum Drohnen ein Teil der Lösung sein – auch österreichische Wissenschafter wirken hier mit. Das erste heimische Amazon-Entwicklungszentrum für Drohnen in Graz habe er noch nicht besucht, so Kleber. Aber man habe dort "die schlauesten Wissenschafter gefunden." Ab wann die Mini-Flieger in Österreich getestet werden, ist offen. Anwendungsbereiche kann Kleber sich schon vorstellen:"Neulich hat mir der Tortenguss gefehlt." In den Tiroler Bergen könne eine Drohne eine Lösung sein.

In einem Rechtsstreit des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen die Geschäftsbedingungen des Online-Händlers hat indes der EuGH entschieden und den Konsumentenschützern einen Dämpfer versetzt. In der Frage, welches Recht anzuwenden ist, etwa bei der Datenübermittlung oder bei Verzugszinsen, stärkt damit der europäische Gerichtshof Amazon den Rücken. Laut EuGH sind Verträge nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat. (rebu, 28.7.2016)