Wien – Vom Geburtsjahrgang her ist Josef F. ein Altersgenosse von Filmstars wie Gerard Butler und Edward Norton. Optisch kann der 46-Jährige mit den Prominenten zwar nicht ganz mithalten, Charisma muss er aber haben – er sitzt vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Gerda Krausam, da er zwischen 2014 und 2016 sechs Frauen die große Liebe vorgegaukelt haben und sie um über 50.000 Euro geschädigt haben soll.

Kennengelernt hat er seine Opfer via Internet und Partnerbörsen. "Suchen Sie sich die Frauen aus, bei denen es funktionieren könnte?", fragt die Vorsitzende. "Nein", antwortet der korpulente Brillenträger. "Na ja, könnte es nicht sein, dass sie darauf achten, ob die ein bissi unglücklich, ein bissi alleine sind?" – "Nein." – "Haben Sie dann einfach ein Gespür dafür?" – "Das kann sein." – "Das könnte man auch anders einsetzen", konstatieren Krausam und Verteidiger Rudolf Mayer unisono.

Zehn teils einschlägige Vorstrafen

Das Vorleben des Pensionisten ist gelinde gesagt getrübt. Zehn Vorstrafen, acht davon einschlägig, hat er in seinem Leben schon gesammelt. Die letzte stammt aus dem Jahr 2009. "Und wieso begehen Sie dann wieder Betrügereien?", will die Vorsitzende wissen. Die etwas verblüffende Antwort: "Das war nicht meine Absicht. Ich hatte finanzielle Probleme. Es war ein Fehler."

Etwa überraschend ist auch, dass er den Frauen nicht nur unter den verschiedensten Vorwänden Bargeld herausgelockt haben soll, sondern die auch in seinem Namen Mobilfunkverträge für ihn abschlossen. In einem Fall zwölf Stück. Krausam muss ihm dafür sogar gewissen Respekt zollen. "Wie schafft man das? Ich meine, einen oder zwei kann ich ja noch verstehen, aber zwölf?" – "Na ja, ich habe immer irgendwas erzählt. Dass ich keinen Empfang damit in meiner Wohnung hatte, zum Beispiel."

OP-Gehilfe, Rotkreuz-Mitarbeiter, Journalist

Viel erzählt hat er auch über seine Berufe. Einer Frau sagte er, er arbeite am Flughafen, einer anderen, er sei OP-Gehilfe, einer dritten, er sei beim Roten Kreuz tätig. Mit einem Einmietbetrug in einem noblen Hotel kam er wochenlang durch, indem er angab, Journalist zu sein und über den Betrieb schon einmal geschrieben zu haben.

Den Großteil des Geldes gab er für seinen Lebensunterhalt aus oder verspielte es. In einem Fall war er aber auch großzügig: Er kaufte mit einem Teil der Beute Geburtstagsgeschenke, etwa eine Wärmedecke, für das Opfer selbst.

"Ich habe auch keiner die Ehe versprochen", beteuert der Angeklagte. Manche scheinen das anders wahrgenommen zu haben. Sein letztes Opfer, die ihn im April 2016 noch angezeigt hatte, sieht sich jetzt als seine Lebensgefährtin. Was F., der derzeit eine Strafhaft verbüßt, zurückweist – schließlich ist er mittlerweile ja auch verheiratet.

Die eingebildete Lebensgemeinschaft

Auch vor Krausam bleibt die Frau dabei. "Wie soll das funktionieren?", erkundigt sich die Vorsitzende bei ihr. "Ich besuche ihn immer in der Haft." – "Für eine Lebensgemeinschaft braucht man aber mehr. Sie können das derzeit nicht sein", zerstört Krausam die Illusionen der Frau. Die Zeugin hat übrigens auch Geld im Namen des Angeklagten an die anderen Opfer gezahlt.

Die dennoch für F. aussagt und nun behauptet, sie hätte ihm das Geld auch so gegeben, und außerdem sei eine Rückzahlung erst für Mai 2016 vereinbart gewesen. Als sie im April Anzeige erstattet hatte, war davon nicht die Rede. Die Staatsanwältin erinnert sie eindringlich an ihre Wahrheitspflicht und eine drohende Anklage wegen Verleumdung. Da die Zeugin stur bleibt, verspricht ihr die Anklägerin: "Sie hören von uns!"

F. wird schließlich wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs – Strafrahmen bis zu drei Jahre – zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er akzeptiert das, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 26.7.2016)