Der 13-Jährige Jacob Sartorius gilt als "Superstar" der App

Foto: Twitter/Screenshot/Sartorius

Der 13-jährige, perfekt lang gestylte Jacob Sartorius schmachtet in das Smartphone seines iPhones: "Baby, wenn du nicht bereit für meinen Kuss bist – dann trag einfach mein Sweatshirt." Millionen Teenager sehen das wiederum auf ihren Smartphones und sehnen sich nach Sartorius‘ Pullover. Er gilt als der größte Star der App Musical.ly, die seit rund zwei Jahren einen beeindruckenden Erfolgslauf hinlegt.

Die App funktioniert im Grunde relativ einfach: Nutzer können einen einige Sekunden langen Videoclip aufnehmen, in dem sie zu vorgegebenen oder selbst hochgeladenen Liedern Playback singen. Sartorius singt etwa Playback zu seinem eigenen Song. Das Video wird dann an ihre Follower versandt. Die Idee brachte der App mittlerweile über 100 Millionen Dollar Investments ein.

Lippen bewegen statt Inhalte

Laut Angaben der Betreiber soll jeder zweite US-Teenager auf der Plattform aktiv sein, 75 Prozent der Nutzer sind weiblich. Die Modezeitschrift "Elle" erklärt den Erfolg der App einigermaßen hämisch: Auf YouTube mussten sich Teenie-Stars bislang überlegen, wie sie ihre Fans unterhalten. Mädchen gaben meist Schminktipps ("damit ihr so schön wie ich werden könnt"), während Jungs eher Flirt-Tipps gaben ("damit ihr so einen schönen Freund wie mich kriegt"). Auf Musical.ly entfällt das: Die Jungs und Mädels müssen einfach nur ihre Lippen zum Lied bewegen, um für Action zu sorgen.

Sexualisierung der Teenies

Das ganze passiert natürlich mit laut Elle "sehr jung sehr attraktiven Menschen". Die 13-jährigen Teenager stellen dabei ihren Körper zur Schau und flirten mit vollem Einsatz. Das führt auch zu Kritik an der App, die weiter zu einer frühzeitigen Sexualisierung von Kindern beitragen soll. Gleichzeitig hat "Musical.ly" den Teenie-Star natürlich nicht erfunden, schmachtende Jungs und freche Mädchen gibt es in der Popindustrie schon seit Jahren. Außerdem sind die App-Betreiber stark dahinter, jedwede tatsächlich nicht jugendfreien Inhalte rasch zu entfernen.

Eigene Songs und Merchandise

Die Musikbranche wird von der Plattform durcheinandergewirbelt. Wenn einer der Top-"Musers", etwa Baby Ariel mit ihren sieben Millionen Anhängern, Playback zu einem eher unbekannten Lied "singt", kann dieser Song dadurch in die Charts katapultiert werden. Die beliebtesten Stars der App treten auch mit eigenen Songs und Merchandise in Erscheinung. Für das Leben mancher Teenager hat der ersehnte Ruhm, wenn er denn einmal da ist, drastische Konsequenzen: Loren Gray, die über 7,8 Millionen Follower hat, erzählt etwa davon, dass sie in ihrem Heimatort "keine Freunde" mehr hat – und als sie einmal den Wohnort ihrer Großmutter durch ein Selfie verriet, plötzlich 26 wildfremde Teenager dort auftauchten.

Kehrseiten

"Es kann gut sein, dass die meisten Menschen außerhalb der Pubertät nicht verstehen, warum musical.ly funktioniert", schreibt Elle. Aber klar ist: Die App schafft es wie momentan keine zweite, Teenager an sich zu binden. Das gelang zuletzt Snapchat, das mittlerweile mit bis zu 22 Milliarden Dollar bewertet wird – und immer stärker auch Erwachsene an sich bindet. Wer also über die Playback-App die Nase rümpft, sollte mit der Möglichkeit rechnen, derartige Videos bald auch von Freunden in derselben Altersklasse zu erhalten. (red, 26.7.2016)