Polizei am Tatort in Ansbach.

Foto: AFP PHOTO / DANIEL ROLAND

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Sprengstoffexperte bei der Inspektion des Rucksacks.

Foto: Daniel Karmann/dpa

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Sprengsatz detonierte in der Nähe des Eingangs zu einem Musikfestival.

Foto: reuters/rehle

Ermittler am frühen Montagmorgen am Tatort in Ansbach.

Foto: APA/AFP/DPA/FRIEBE

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Spezialeinheit der Polizei Montagfrüh.

Foto: REUTERS/Michaela Rehle

Bild nicht mehr verfügbar.

Amateuraufnahmen vom Einsatz in der Nacht.

Foto: News5/via Reuters

Ansbach – Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat die Explosion eines Sprengsatzes, den ein 27-jähriger Syrer im Eingangsbereich eines Musikfestivals in Ansbach in Bayern gezündet hatte, bei einer Pressekonferenz am Montagnachmittag als Selbstmordanschlag bezeichnet. Die Bombe sei "sicherlich nicht nur zum Selbstmord des Selbstmordattentäters selbst ausgerichtet" gewesen, sondern auch dazu, andere zu töten. Es sei glücklichen Umständen zu verdanken, "dass nicht weitere Menschen zu Tode gekommen sind".

Die Bombe sollte viele Menschen töten, erklärte am Montag auch der Vizepräsident des Polizeipräsidiums Mittelfranken, Roman Fertinger. Die Staatsanwalt ermittelt wegen mehrfachen Mordversuchs.

Der Mann starb, mindestens 15 Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer. Ursprünglich war von zwölf Verletzten ausgegangen worden. Herrmann sprach auch von einem Bekennervideo auf dem Handy des Attentäters, aus dem ein islamistischer Hintergrund hervorgehe. In dem Video bekenne sich der Mann zur Terrormiliz "Islamischer Staat" und drohe mit Anschlägen. Er beziehe sich konkret auf IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Der IS beanspruchte die Tat kurze Zeit später für sich, wie seine Nachrichtenagentur Amaq mitteilte.

Material für weitere Bomben

Gewaltvideos auf Arabisch, die bei der Durchsuchung der Unterkunft des 27-Jährigen in der Nacht auf Montag auf einem Laptop gefunden wurden, würden ebenfalls auf ein islamistisches Motiv hindeuten, sagte Herrmann. Außerdem habe die Polizei Material für den Bau weiterer Bomben gefunden, darunter Benzinkanister und Säure.

Das deutsche Innenministerium blieb bezüglich eines IS-Bezugs des Täters vage: "Bisher ist es einfach so, dass wir dafür keinen belastbaren Hinweis haben", sagte Innenministeriumssprecher Tobias Plate am Montag. Innenminister Thomas de Maizière warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Die große Mehrheit ziehe nach Deutschland, um dort in Frieden zu leben. "Das muss sauber getrennt werden."

Subsidiärer Schutz in Bulgarien

Der Sprengsatz detonierte nach Polizeiangaben am Sonntag kurz nach 22 Uhr in der Nähe des Eingangs zu dem Musikfestival "Ansbach Open" mit mehr als 2.000 Besuchern. Das Festivalgelände wurde evakuiert.

Der Täter war laut Herrmann im Juli 2014 nach Deutschland gereist, im August habe er einen Asylantrag gestellt, der am 2. Dezember 2014 abgelehnt wurde, da er bereits 2013 in Bulgarien subsidiären Schutz zuerkannt bekommen hatte. Wegen medizinischer Atteste bezüglich seiner psychischen Labilität sei die Abschiebeandrohung zwischenzeitlich aufgehoben worden. Laut dem deutschen Innenministerium hatte er den Status der Duldung, hätte aber nach Bulgarien rückgeschoben werden sollen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe dann aber selbst die Abschiebeanordnung wieder aufgehoben, wohl wegen gesundheitlicher Probleme des Syrers.

Abschiebung hätte demnächst stattfinden sollen

Vor zwölf Tagen habe das Bundesamt dann neuerlich eine Abschiebung nach Bulgarien unter dem sogenannten Dublin-Verfahren angeordnet, sagte Herrmann. Diese Anordnung wäre innerhalb von 30 Tagen zu vollziehen gewesen. Nach Syrien habe er wegen des dortigen Krieges nicht abgeschoben werden können. Der Täter habe zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen, und sei deshalb in medizinischer Behandlung gewesen.

Am Eingang abgewiesen

Polizeiangaben zufolge wurden nach der Explosion weit verstreut Metallteile gefunden. Bei islamistischen Anschlägen im Nahen Osten werden häufig Metallteile oder Nägel zur Verstärkung der Wirkung einer Bombe benutzt. "Wenn er mit dem Rucksack in die Veranstaltung gelangt wäre, hätte es bestimmt mehr Opfer gegeben", sagte der Nürnberger Polizeivizepräsident Roman Fertinger. Er sei am Eingang aber abgewiesen worden, weil er keine Eintrittskarte hatte.

Herrmann zufolge war der 27-Jährige bereits wegen Drogen- und Nötigungsdelikten polizeibekannt. Eine Sonderkommission prüfe, ob er Verbindungen ins islamistische Milieu hatte. Wegen politisch radikaler Ansichten sei er den Behörden bisher nicht aufgefallen.

Asylantrag in Österreich abgelehnt

Der Attentäter hatte 2014 auch einen Asylantrag in Österreich gestellt. Wegen eines positiv beschiedenen Asylantrags in Bulgarien im Jahr 2013 sei dieser jedoch abgelehnt worden, sagte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck zur APA. Er sei nicht aus Österreich ausgewiesen worden, weil er über ein von Bulgarien ausgestelltes "Konventionsreisedokument" verfügte, das einen 90-tägigen Aufenthalt im Schengenraum erlaubt.

Verstärkte Polizeipräsenz

Der deutsche Innenminister de Maizière hat nach den Attentaten verstärkte Streifen der Bundespolizei an Flughäfen und Bahnhöfen angeordnet. Ihm erscheine "erhöhte Präsenz von Polizeikräften im öffentlichen Raum" nun als besonders wichtig, sagte de Maizière am Montag in Berlin. Auch die sogenannte Schleierfahndung, unter anderem an der Grenzen zu Österreich, gehe weiter. Über mögliche Gesetzesänderungen hielt sich de Maiziere bedeckt.

"Freundlich, unauffällig und nett"

Reinhold Eschenbacher vom städtischen Sozialamt in Ansbach sagte am Montag, der mutmaßliche Täter sei als "freundlich, unauffällig und nett" bekannt gewesen. "Der junge Mann war öfter als Asylbewerber hier und bei uns bekannt. Da ging es um soziale Leistungen." In der fränkischen Stadt leben derzeit laut Oberbürgermeisterin Carda Seidel rund 600 Asylwerber.

Herrmann sprach von einem "weiteren schlimmen Tag für unser Land". Besonders beunruhigt zeigte er sich über die Tatsache, dass die Tat offensichtlich von einem Asylsuchenden verübt wurde. "Ich bin entsetzt, dass jemand die Möglichkeit, sich in unserem Land aufzuhalten, derartig missbraucht." Es sei nicht von der Hand zu weisen, "dass das in einer ganz schlimmen Weise das Asylrecht in unserem Land diskreditiert".

Solche Taten seien "sicherlich nicht typisch für Flüchtlinge in unserem Land", sagte Herrmann weiters. "Aber die Sorgen und Ängste in unserer Bevölkerung werden zunehmen." Er forderte politische Konsequenzen. Am Dienstag will die bayerische Regierung auf ihrer Klausur am Tegernsee über einen besseren Schutz der Bevölkerung beraten.

Seehofer: "Rechtsstaat wird nicht weichen"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sprach laut einem Sprecher am Montag von "Tagen des Schreckens", die Bayern erlebe. Es gelte: "Der Rechtsstaat wird nicht weichen." Die deutsche Bundesregierung warnte davor, Flüchtlinge generell unter Terrorverdacht zu stellen. "Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag. "Diese Erkenntnis deckt sich mit aktuellen Untersuchungen, nach denen die Gefahr des Terrorismus nicht größer und nicht kleiner ist als in der übrigen Bevölkerung."

Forderung nach besserer Kontrolle

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte eine bessere Kontrolle der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge. "Weder ist die Identität aller Menschen geklärt, die zu uns gekommen sind, noch ihr geistiger und körperlicher Zustand", sagte Wendt am Montag im HR-Info. Man müsse "feststellen, wer da in unser Land kommt".

Es ist die dritte schwere Tat in Bayern innerhalb einer Woche. Am Montagabend hatte ein Flüchtling in einem Regionalzug in Würzburg Menschen mit einer Axt angegriffen, am Freitagabend war ein junger Mann in München Amok gelaufen. Mehrere Menschen starben, viele wurden verletzt. In Ansbach sorgte die Explosion erneut für einen Großeinsatz der Polizei, die mit 200 Kräften anrückte. Feuerwehr und Rettungsdienste waren mit 350 Mann im Einsatz. (APA, Reuters, red, 25.7.2016)