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Karl-Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister.

Foto: REUTERS / HEINZ-PETER BADER

Supersauber sind die Ermittlungen wahrlich nicht gelaufen. Die Justiz war im Umgang mit Karl-Heinz Grasser gefordert, teilweise überfordert. Die Pannen der Staatsanwaltschaft – beispielsweise beim fehlerhaften ersten Vorhabensbericht vor zwei Jahren – haben dem Ruf der Anklagebehörde geschadet. Und eine siebenjährige Ermittlungsdauer ist niemandem zumutbar, auch nicht Grasser. Dass jetzt weitere Verfahren gegen ihn, insbesondere das finanzstrafrechtliche, immer noch nicht abgeschlossen sind, erscheint völlig unverständlich. Unabhängig davon, was man über den Exminister denken mag: Persönlichkeitsrechte gelten für jedermann. Strafrecht ist kein Sympathiewettbewerb.

Diese Aussagen stellen kein Verteidigungsplädoyer für die Buwog-Angeklagten dar, sondern einen Weckruf für die Justiz, womit keineswegs nur die Staatsanwaltschaft gemeint ist. Die Vorstellung, dass Personen in einem Rechtsstaat dauerhaft und regelmäßig mit Hausdurchsuchungen, Kontenöffnungen und Einvernahmen konfrontiert sind, beängstigt. Die medialen Begleiterscheinungen grenzen tatsächlich an die von Grassers Anwalt beklagten Vorverurteilungen. Minister Wolfgang Brandstetter muss sich die Frage gefallen lassen, ob das – trotz Reform – weiterhin aufwendige Berichts- und Weisungswesen samt "Anregungen" im Wege von Dienstbesprechungen mit den Oberinstanzen nicht entrümpelt gehört. Der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und der Effizienz der Verfahren wäre jedenfalls mit einer Bereinigung der Überwachungsstationen gedient.

Bei aller Kritik an den Mängeln bei den Ermittlungen: Eine Anklage in den Causen Buwog und Terminal Tower ist die richtige Entscheidung, auch wenn die Beweiskette nicht geschlossen sein dürfte. Vor allem der entscheidende Beleg dafür, dass Grasser den Verkauf der Bundeswohnungen und die Einmietung von Finanzabteilungen im Linzer Hochhaus geschoben und dafür kassiert hat, fehlt nach derzeitigem Wissensstand. Aber: Die Ungereimtheiten, Zufälle und Verstrickungen sind derart geballt, dass eine Einstellung der Ermittlungen schwer verständlich gewesen wäre. Immerhin haben Gerichte in mehr als 100 Fällen Einsprüche der Beschuldigten abgeschmettert.

Neben der Beweislage gilt es noch eine andere Dimension zu bedenken. Der frühere Finanzminister steht für eine Epoche der österreichischen Politik, in der die Korruption besonders stark grassierte. Ob mit oder ohne direkte Beteiligung: Buwog, Bündelfunk Tetron, Eurofighter-Beschaffung, Telekom-Affäre und andere Vorgänge prägen eine Ära, in der sich ein Freundeskreis besonders unverfroren am öffentlichen Topf bediente. Walter Meischberger und Peter Hochegger sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Tür hat ihnen Grasser geöffnet. Schwarz kassierte bei den diversen Machenschaften entweder selbst mit (Ernst Strasser, Telekom) oder ließ Blau/Orange gewähren. KHG hatte nicht überall die Finger mit im Spiel, doch die Hand hat er oft aufgehalten. Dafür muss er den Kopf hinhalten.

Ein Verzicht auf eine Anklage käme angesichts der vielen Verdachtsmomente einer Reinwaschung von Schwarz-Blau und den ringsherum gebildeten Sickergruben samt wuchernden Sumpfblüten gleich. Somit ist Grasser tatsächlich auch ein Opfer, nämlich das seines eigenen Systems. Er kann jetzt das Gericht davon überzeugen, dass alles supersauber war. (Andreas Schnauder, 21.7.2016)