Wien – Dass Fahrzeuge im realen Betrieb oft erheblich mehr Schadstoffe ausstoßen als bei den Prüfungen für die Typenzulassung, ist offenbar nicht erst seit dem VW-Abgasskandal in den USA amtsbekannt. Das Bundeskanzleramt setzt dieses Wissen sogar voraus, wie der grüne Verkehrssprecher Georg Willi einer Stellungnahme des Bundeskanzleramts entnommen hat.

EU-Vertragsverletzungesverfahren gegen Österreich

Es geht dabei um die schlechte Luftqualität in Österreich, konkret um die zu hohen Stickoxid-Emissionen. Stickoxide (NOx) entstehen bei Verbrennungsprozessen und sind gesundheitsschädlich, außerdem sind sie eine Vorläufersubstanz für sauren Regen und bodennahe Ozonbildung. Eine EU-Richtlinie sieht daher seit 2010 strenge Grenzwerte vor – die Österreich seither laufend überschreitet.

Schuld daran ist vor allem der Verkehr, besonders Dieselfahrzeuge. Im von der EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren räumt die Republik zwar den objektiven Unionsrechtsverstoß ein, kontert aber, dass es "wesentliche Versäumnisse in der europäischen Abgasgesetzgebung" gebe, die Österreich nicht beeinflussen könne.

Legalisierter Abgasskandal

Willi sagt, dass er schon im vergangenen Jahrzehnt als Abgeordneter des Tiroler Landtags bemerkt habe, dass die immer neuen Euro-Normen für Lkws keine Verbesserung der Stickoxid-Situation gebracht hätten. Insofern habe Österreichs Einwand auf die EU-Rüge durchaus Substanz. Allerdings könne die Republik sehr wohl handeln – auf europäischer Ebene etwa dadurch, dass man auf strengere Abgastests hinwirke. Genau das Gegenteil passiere, "das ist die gesetzlich gedeckte Fortsetzung des Abgasskandals", sagt Willi.

Ein zweiter Ansatz, der innerstaatlich möglich wäre, läge in der Abschaffung des steuerlichen Privilegs für Dieseltreibstoff. Hier ist das Umweltministerium dafür, Diesel entsprechend zu verteuern, Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) argumentiert aber, dass der Tanktourismus ein "höheres Mineralölsteueraufkommen, das sich positiv auf das gesamte Steueraufkommen in Österreich auswirkt", bewirke, weshalb es ihm willkommen ist, wenn ausländische Frächter hierzulande tanken. "Geld sticht Gesundheit", ätzt Willi zu diesem Punkt.

Völlig unverständlich findet Willi, dass Österreichs Parlament erst im Frühjahr das neue Bundesstraßenmautgesetz beschlossen hat, das das Fahren für umweltfreundlichere Lkws sogar verteuert. (Conrad Seidl, 20.7.2016)