Jerusalem – Nach einer stürmisch geführten Debatte hat das israelische Parlament nun über eine Gesetzesänderung die Vollmacht erlangt, gewählte Abgeordnete aus der Volksvertretung per Mehrheitsbeschluss auszuschließen. Die von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu unterstützte Vorlage erhielt in der Nacht auf Mittwoch in dritter Lesung 62 Stimmen. 47 Abgeordnete stimmten mit Nein.

Die Opposition sieht in dem Gesetz einen Einschüchterungsversuch vor allem gegen arabische Abgeordnete. Die neue gesetzliche Regelung richtet sich gegen Knesset-Mitglieder, die sich der "Anstachelung zum Rassismus" schuldig machten oder die "den bewaffneten Kampf gegen den Staat Israel unterstützen". Für den Ausschluss eines Abgeordneten aus dem Parlament soll künftig eine Mehrheit von mindestens 90 der 120 Knesset-Abgeordneten erforderlich sein.

Mit der Vorlage hatte die rechtsgerichtete Regierungskoalition auf den Besuch dreier arabischer Abgeordneter bei den Hinterbliebenen mutmaßlicher palästinensischer Attentäter reagiert, die von israelischen Sicherheitskräften erschossen worden waren. Die arabischen Abgeordneten bestreiten allerdings eine Solidarisierung mit deren Zielen und Methoden. Es sei um die Unterstützung der Familien bei ihrem Wunsch gegangen, die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen bestatten zu dürfen.

Netanyahu spricht von Absurdität

Israels Präsident Reuven Rivlin hatte die Gesetzesvorlage kritisiert. Das Parlament spiegle in seiner Zusammensetzung die Entscheidung der Wähler wider und dürfe nicht "eigenmächtig diese Entscheidung der Wähler infrage stellen".

Netanyahu erklärte dagegen am Mittwoch, es sei darum gegangen, "eine Absurdität zu beenden. Wer Terrorismus gegen den Staat und seine Bürger unterstützt, kann kein Mitglied des Parlaments sein."

Der Verein für Bürgerrechte in Israel (ACRI) sieht in der Gesetzesänderung "einen Angriff auf die Grundsteine der Demokratie: die Meinungsfreiheit, das aktive und passive Wahlrecht". So würden interessengeleitete Politiker "ermächtigt, als Ermittler, Ankläger und Richter in einem zu handeln".

Ayman Odeh, Fraktionschef der arabischen Volksvertreter, bezichtigte Netanyahu, die Neuregelung sei Teil eines größeren Plans: "Er will nicht, dass Araber abstimmen. Und er will uns nicht als legitime politische Kraft." Dabei spielte Odeh auf Netanyahus Aufruf vom März 2015 an – "Die Araber stürmen in Scharen zu den Wahlurnen" -, mit dem der Regierungschef am Tag der Knessetwahlen seine Anhänger mobilisiert hatte.

In Israel sind rund 17 Prozent der Bevölkerung arabisch. Bei der letzten Parlamentswahl traten die arabischen Parteien mit einer Einheitsliste an und gewannen 13 Mandate in der Knesset. Damit sind sie dort die drittgrößte Fraktion. (APA, 20.7.2016)