Das menschliche Auge ist zu beeindruckenden Leistungen fähig.

Foto: J. Baikovicius

Wien – Menschen haben gewiss nicht die besten Augen des Tierreichs. Aber in Sachen Lichtempfindlichkeit leisten sie Erstaunliches, wie ein Team um den in Wien und New York forschenden Quantenphysiker Alipasha Vaziri herausgefunden hat – und was bisher aus mehreren Gründen unbewiesen war.

Zwar wusste man bereits aus Untersuchungen aus den 1940er-Jahren, dass an die Dunkelheit gewöhnte Versuchspersonen Lichtblitze wahrnehmen können, die aus nur fünf bis sieben Photonen bestehen. Ob man auch einzelne Lichtteilchen sehen kann, war aber unklar. Zum einen fehlte es lange an Lichtquellen, die exakt einzelne Photonen aussenden können. Zum anderen mangelte es an geeigneten psycho-physikalischen Ansätzen zur Überprüfung der Wahrnehmung einzelner Lichtteilchen.

Beides ist nun dem interdisziplinären Team unter Leitung von Alipasha Vaziri gelungen, der seit 2011 am IMP in Wien forscht und zusätzlich seit Herbst 2015 Leiter des Laboratory of Neurotechnology and Biophysics an der Rockefeller University in New York ist. Für die Konstruktion der Lichtquelle konnte Vaziri auf seine Ausbildung unter anderem bei Anton Zeilinger zurückgreifen: Vaziri und sein Team erzeugten ein Photon, das in einem optischen Kristall in zwei verschränkte Photonen zerfällt.

Zwei verschränkte Photonen unterwegs

Eines davon wird zum Auge der Versuchsperson gelenkt, das andere zu einem Detektor. "Damit weiß man, dass nur dann, wenn der Detektor ein Photon registriert, genau ein Photon und nicht mehr oder weniger in Richtung Auge geschickt wurde", erklärte Vaziri.

Für die Auswertung der Versuche entwarfen die Forscher ein ausgeklügeltes Protokoll. Die Probanden mussten sich rund 40 Minuten in einem völlig abgedunkelten Raum an die Dunkelheit gewöhnen. Dann wurden ihnen mittels zwei Tönen zwei jeweils eine Millisekunde lange Intervalle angekündigt. In einem davon wurde zufällig ein einzelnes Photon ins Auge geschickt. Dabei gab es auch Durchgänge, in denen in beiden Intervallen kein Photon gesendet wurde.

Die Versuchspersonen mussten nicht nur bei jedem Versuch per Tastendruck mitteilen, ob im ersten oder zweiten Intervall ein Photon zu sehen war. Sie mussten ebenfalls per Tastendruck werten, wie sicher sie sich in ihrer Wahrnehmung waren. "Damit konnten wir die Sensitivität der Anordnung zum Maximum treiben", sagte Vaziri.

Denn es sei davon auszugehen, dass statistisch viele Photonen am Weg durch das Auge absorbiert werden und daher nie die Netzhaut erreichen. "Es stellte sich heraus, dass die Wertungen, in denen die Probanden sich "sehr sicher" waren, eine viel größere Wahrscheinlichkeit für die richtige Antwort zeigten, was daraus schließen lässt, dass in diesen Fällen das Photon tatsächlich die Netzhaut erreicht hat", so der Physiker.

Hocheffizientes Sinnesorgan

Mehr als 30.000 solcher Durchgänge wurden schließlich ausgewertet und zeigten mit statistischer Signifikanz, dass einzelne Photonen vom menschlichen Auge wahrgenommen werden können. Vaziri hält das Studienergebnis für "wirklich bemerkenswert". Dies zeige, "bis zu welch erstaunlicher Effizienz die Evolution die Empfindlichkeit der Sinnesorgane vorantreiben kann – bis zur kleinsten Einheit des Lichts".

Aus eigener Erfahrung beschreibt Vaziri die Wahrnehmung eines einzelnen Photons in den meisten Fällen eher "als Gefühl an der Schwelle zur Einbildung als dass man bewusst einen schwachen Lichtblitz 'sieht'". Oft werde man auch nur im Vergleich zur Negativkontrolle sicherer in seiner Antwort. Von der Wellenlänge her ist das Photon übrigens grün, aber man sehe bei dieser schwachen Intensitäten keine Farbe, sagte Vaziri.

Für den Physiker ist es besonders faszinierend, dass ein extrem schwaches Signal im Menschen, "mehrere Schritte biologischer Signalverarbeitung bis hin zur bewussten Wahrnehmung durchläuft und trotz aller möglicher Quellen des Rauschens nicht verloren geht". Um im Labor solche Ergebnisse zu erzielen, müssen die Forscher ihre Detektoren üblicherweise sorgfältig abschirmen und stark kühlen.

Die Chance, dass die Versuchspersonen ein Photon wahrnehmen, stieg übrigens an, wenn kurz zuvor bereits ein Photon ins Auge eingetroffen war. Warum das so ist, wollen die Forscher in Folgeexperimenten klären. Sie haben noch zahlreiche weitere Fragen, etwa wie biologische Systeme derartige Empfindlichkeit und Präzision entwickeln können, wie die schwachen Signale aus dem Hintergrundrauschen herausgefiltert werden und ob die beobachteten Phänomene auf den Sehsinn beschränkt sind oder allgemeine Erkenntnisse zur Signalverarbeitung in Lebewesen liefern. (red, APA, 19.7.2016)