Der Eingang in die Höhlen von Postojna.

AFP/JURE MAKOVEC

Eine Touristenattraktion wurden sie im 19. Jahrhundert.

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Innen drinnen werden auch Konzerte abgehalten.

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Grottenolme werden in Slowenien "Menschenfischlein" genannt.

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Schuld ist die Pivka, die man Pjuka ausspricht. Sie verschwindet im Berg, durchgräbt ihn wie ein neugieriger kleiner Drachen. Sie schnellt durch den Karst, trifft sich mit dem Rak und der Unica und landet gemeinsam mit den anderen Wasserläufen in einer Höhle. Gemeinsam bilden die drei eine der größten Flussvereinigungen in Europa. Wenn man die Pivka beobachtet, wie sie durch den Ort Postojna fließt, so ist sie zwar ein wenig wild, aber man traut ihr nicht zu, dass sie im Berg drinnen ein derartiges Imperium geschaffen hat. Die Höhlen von Postojna entstanden etwa vor 900.000 Jahren, weil die Pivka das Glück hatte, auf so weichen Kalkstein zu stoßen, den sie aushöhlen konnte. Sie brachte Geröll und Sand mit und schuf riesige Steinsäle.

Wer Richtung Ljubljana fährt, ist gut beraten vorbeizuschauen. Wenn man in die Höhle eintritt und sich dann in den kleinen Schienenzug setzt, wird es bald kühler, die Felswände sind noch schwarzgrau, die Decke wölbt sich, die Wagen brausen in den Karst hinein. Wenn man keinen Wetterfleck genommen hat, den man sich hier ausborgen kann, wird man später frieren. Es geht nicht nur hinein, sondern auch hinunter. Dann werden die Felsen heller, an den Höhlenwänden sind die ersten Steinzapfen zu sehen, und man erinnert sich an den Strand, wie man als Kind Wasser und Sand in einem Küberl gemischt hat und Tropfburgen getropft hat. So ähnlich ist das hier: Nur ist es kein Sand, sondern Kalk, der da wässrig und bernsteinfarben glänzt und Skulpturen formt.

Wie sich Tropfsteine bilden

Jeder bekommt ein Digitalgerät mit Kopfhörern, die Sprecherin informiert entlang nummerierter Stationen in dem 20 Kilometer langen System darüber, wie die Höhlen heißen und wie sich die Tropfsteine bilden. Zuerst muss das Wasser durch Ritzen in die Felsen und nimmt dabei Säuren auf, diese lösen den Kalk im Wasser auf. Wenn dann diese Lösung durch den Felsen in die Höhle durchtropft, entweicht das Kohlenstoffdioxid, und dadurch verwandelt sich das Gemisch wieder in den schwer löslichen Kalk, der übrig bleibt, wenn das Wasser fortfließt. So entstehen die Kalkzapfen.

Wie verzauberte Säulen wirken die Formationen. Und man denkt unweigerlich, dass gleich hinter diesem dicken Stalaktiten oder jenem großen Stalagmiten eine Elfe oder wenigstens ein Faun auftauchen wird. Das Märchenreich unter der Erde scheint unwirklich, fast hollywoodesk, wie aus Traumwelten, die menschlichen Köpfen entsprungen sind. Die Höhlen reihen sich aneinander wie Säle in Palästen, das warme, gelbe Licht fällt auf ganz dünne spitze Spaghetti-Kalkzapfen und auf breite marmornglänzende Säulen, an den Decken schweben hauchdünne Vorhänge aus Kalk in Wellen. Man kommt zur sogenannten russischen Brücke, die über einen tiefen Höhlengraben im Ersten Weltkrieg von russischen Soldaten gebaut wurde.

"Menschenfischlein" geschlüpft

Ein Stalagmit wächst in 100 Jahren nur ein paar Millimeter. Und das ist auch das Verwunderliche an den Höhlen von Postojna, dass dieses Paradies über so viele Jahre entstanden ist, bevor es die Menschen zu Gesicht bekamen. Die Grottenolme waren tausende Jahre allein mit all dieser Pracht und konnten sie nicht einmal sehen. Mehr als ein Dutzend frische Grottenolme sind übrigens erst kürzlich aus ihren Eiern geschlüpft. Und erstmals konnten Forscher dies beobachten. Die Olme sind längliche rosa-weiße Wesen, die im Slowenischen "Menschenfischlein" genannt werden, weil sie 100 Jahre alt werden können.

Weil sie unter der Erde leben, haben sie keine Pigmente, bringt man sie an die Sonne, werden sie schwarz. Der Kopf sieht ein bisschen aus wie bei einer Echse, und das Hübscheste sind die roten Kiemenbüschel, die wie Ohren schlackern. Eigentlich brauchen die Olme diese Kiemen gar nicht, weil sie auch Lungen besitzen. Aber so schauen sie viel besser aus. Sie leben nur im dinarischen Karst, also im Nordosten Italiens, in Slowenien, in Kroatien und in der Herzegowina. Als sie vor ein paar hundert Jahren aus der Grotte gespült wurden, dachten die Leute, es handle sich um Babydrachen, die ihre Augen noch nicht öffnen konnten. Deshalb werden die Olme von Postojna heute auch heute als Drachen vermarktet.

Winnetou war hier

Die Postojna-Höhlen wurden bereits im 13. Jahrhundert entdeckt, aber so richtig populär wurden sie erst mit dem beginnenden Tourismus im 19. Jahrhundert. Die Wiener fuhren über Ljubljana nach Triest und machten in Postojna halt. Bereits 1884 wurden die Grotten mit elektrischem Licht ausgestattet, und bereits 1914 führte eine Lokomotive mit Anhängern die Besucher durch den Berg. Später wurde sogar ein Teil von Winnetou 2 in dem Karstgewirr gedreht. Heute werden hier Konzerte abgehalten. (Adelheid Wölfl aus Postojna, 25.7.2016)