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"Take yor monay and run", lautete am Montag das Motto an der Istanbuler Börse nach dem gescheiterten Putschversuch.

Foto: MURAD SEZER

Die verbalen Beruhigungspillen des türkischen Vizepremierministers Mehmet Simsek sind auf keinen fruchtbaren Boden gefallen. Mittels einer Telefonkonferenz mit Investoren am Sonntagabend und Twitter-Nachrichten hatte er nach dem gescheiterten Putschversuch das Unvermeidbare irgendwie abwenden wollen, nämlich einen Kurssturz an der Istanbuler Börse.

Dessen ungeachtet kam es zu Wochenbeginn zu Panikverkäufen, die den Aktienindex ISE 100 zeitweise um mehr als acht Prozent abstürzen ließen. Dadurch haben sich binnen eines Tages umgerechnet rund 14 Milliarden Euro in Luft aufgelöst. Die Türkische Lira konnte sich nach dem Kurssturz von Freitag gegen Dollar und Euro leicht erholen.

Simsek hatte zuvor die Investoren wissen lassen, dass ihm Notenbankchef Murat Çetinkaya versichert habe, dem Finanzsektor ausreichend Kapital zur Verfügung zu stellen – worüber die Währungshüter bereits am Dienstag entscheiden wollen. Zudem betonte der Vizepremier, dass es im Außenhandel mit Öl und Gas zu keinen Einschränkungen komme. Die Türkei gilt als Transitland von Rohstoffen zwischen Russland, Zentralasien und Europa, etwa rund drei Millionen Barrel Rohöl passieren jeden Tag die Wasserstraße des Bosporus.

Kreditwürdigkeit unter Druck

Mittelfristig befürchten Finanzexperten dennoch negative Auswirkungen des Putschversuchs auf die Wirtschaft. Einerseits wird erwartet, dass die Ereignisse sowohl den Konsum als auch die Investitionstätigkeit absenken oder den bereits durch den Bombenterror merklich beeinträchtigen Tourismus zusätzlich belasten würden. Zudem könnte laut Raiffeisen-Analyst Gunter Deuber der Kreditwürdigkeit des Landes unter Druck geraten.

Damit könnte die jüngste Wachstumsbeschleunigung in der Türkei wieder zum Erliegen kommen. Hatte die Wirtschaftsleistung bis zur Finanzkrise noch um rund sechs Prozent pro Jahr zugelegt, waren es seither nur noch 2,6 Prozent im Mittel. Für 2016 hatte die EU-Kommission im Mai noch 3,5 Prozent Wachstum bei einer Arbeitslosenrate von fast elf Prozent erwartet. Neben dem Touristmus zählen die Textilindustrie, der Autosektor sowie Chemie, Maschinenbau und Elektronik zu den wichtigsten Branchen.

Der Außenhandel mit Österreich ist im Vorjahr ausgeglichen ausgefallen, Importen von 1,40 Milliarden Euro standen Ausführen in die Alpenrepublik von 1,44 Milliarden gegenüber. Zu den größten heimischen Investoren am Bosporus zählt die OMV, die das zum Verkauf stehende Tankstellennetz Petrol Ofisi betreibt. Auch die Post oder Verpackungsunternehmen wie Mayr-Melnhof sind vertreten. (Alexander Hahn, 19.7.2016)