Angeschmiert in Pattaya: Ulrich Tukur in "Herr Lenz reist in den Frühling" am Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD.

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Wien – Ulrich Tukur war Deutschlands erster Tieronkel Bernhard Grzimek, er spielte Cäsar, Jedermann, Hamlet und Rommel, im Tatort hebelte er das Fernsehkrimiprinzip (1. Mord – 2. Kommissar – 3. Auflösung) regelmäßig aus. Als Fontmann einer Tanzkapelle haut er in die Tasten, derzeit schreibt er an einem Buch. Mit einem Wort: Der Mann kann was. Im Film Herr Lenz reist in den Frühling ist Tukur aber zunächst einmal ziemlich angeschmiert.

Da ist Hund Schmitti, der von seinem Herrl sogar das Fressen verweigert. Sohn Linus (Simon Jensen) trägt Mascara von Mama und stellt Filme unter dem Titel "Meine beschissene Familie" ins Web. Ehefrau Ilona (Steffi Kühnert) hält ihren Gatten sowieso für einen Totalversager und vergnügt sich anderswo. Im Büro wird natürlich der andere befördert. Herr Lenz spielt sich im Auto von Pink Floyd sein Leben vor: "Is there anybody out there?" Mauern und Bretter überall.

Große Erbschaft

In diesen selbst gebauten Käfig des Versicherungsmaklers und Sicherheitsjunkies Holger Lenz bricht Fernando (Spitzname: "Forever Young") ein. "Ich bin ein Freund Ihres Vaters", stellt sich der kleine Spanier in den besten 70er-Jahren vor. Harmloser könnte eine Begegnung kaum beginnen, und doch ist danach alles anders. Der Vater ist tot, er hinterlässt laut Fernando ein Appartement. Wo? Pattaya, Thailand. Die Gattin wittert ein großes Erbe. Herr Lenz reist – Geld im Gürtel, Desinfektionsspray immer bei der Hand – gen Osten und lernt, dass Reisen in jedem Fall den Horizont erweitert, ob man will oder nicht.

Nach dem Buch von Karl Heinz Käfer und der Regie von Andreas Kleinert fährt hier ein Spießer aus der Haut und findet in sich das Unverkorkste. Nicht im Mekka der Aussteiger und Sextouristen geht dem unglücklichen Lenz endlich der Knopf auf, sondern in den Bergen, abseits der Touristenströme erkennt er, dass er sich nicht gegen alles versichern kann, schon gar nicht gegen das Leben. Herr Lenz reist in den Frühling ist insofern keine Geschichte vom Allerweltsleben, sondern vom Glück, das stets anderswo lauert, als man erwartet würde. Sommerfilme schauen im TV für gewöhnlich anders aus.

Elegant und humorvoll wird die wenig romantische Realität in der Touristenhölle Thailands und ihren jederzeit verfügbaren Mädchen und Ladyboys mit dem biederen Büro-Familieninferno eines 08/15-Alleinverdieners vermengt. Wer ist hier normal?

Tukur spielt Herrn Lenz traurig und tapfer und stellt am Ende das dar, was der 59-jährige Könner in Film und Fernsehen meistens ist: ein Bild von einem Mann. (Doris Priesching, 19.7.2016)