Gleich drei historische Ereignisse haben die vergangenen Tage dominiert: der Anschlag in Nizza, der Putsch in der Türkei und die Fehde zwischen den Poeten Thomas Glavinic und Stefanie Sargnagel. Wie alles, was heute wichtig ist, fand auch die Fehde auf Facebook statt.

Kritiker, die sie als Sternstunde der Irrelevanz abtun wollten, lägen ganz falsch. Hier geht es um nicht weniger als um Nachruhm und die strategische Positionierung auf dem engen Feld der literarischen Ehre.

Glavinic hat Sargnagel scharfsinnig als "sprechenden Rollmops" bezeichnet, was diese elegant mit dem Rat parierte, Glavinic solle doch seinen Penis ins Internet stellen. Das ist brillant, gewiss, aber es fehlt der letzte Schliff, es fehlt das gewisse Etwas, mit dem manche Schriftstellerkollegen früher aufhorchen ließen.

Es fehlt etwa jene Respektlosigkeit gegenüber den Klassikern, mit der Christoph Martin Wieland Goethe "die zierliche Jungfrau zu Weimar" nannte. Es fehlt die Analyseschärfe von Friedrich Dürrenmatt, der meinte, Günter Grass sei ihm "zu wenig intelligent, um so dicke Bücher zu schreiben". Oder es fehlt die Hinterfotzigkeit eines Gore Vidal, der einmal erzählte, er habe sich auf einer Party vermeintlich auf eine Ottomane gesetzt, nur um danach festzustellen, dass die Ottomane Truman Capote war. Wäre schön, wenn sich Glavinic und Sargnagel für ihr Match von den ganz Großen noch etwas abschauen könnten. (Christoph Winder, 17.7.2016)