Ankara – Der Imam betet trotzdem. Gegen zwei Uhr nachts türkischer Zeit ist das Gebet über der Stadt zu hören. Auf den Straßen von Cihangir, dem Viertel neben dem Taksim-Platz, herrscht mittlerweile weitgehend Ruhe. Noch zwei Stunden zuvor hatte auf den Straßen von Cihangir Chaos geherrscht.

Überall stehen die Menschen ratlos herum, sie telefonieren, vor den Kiosken haben sich Schlangen gebildet, die Menschen kaufen Wasser und Lebensmittel, denn für morgen ist eine Ausgangssperre verhängt worden. Vor den Bankomaten stehen die Menschen schlange. Es gibt eine Ausgangssperre, es gibt die Gerüchte, dass Geldautomaten gesperrt werden könnten. Die Menschen bunkern Lebensmittel und Geld, denn es ist zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht klar, wie es weitergehen wird.

Brennpunkt Taksim

Am Taksim-Platz, dem Herzen der laizistischen Republik stehen sich Militärs und AKP-Anhänger friedlich gegenüber. Demonstranten stehen auf dem berühmten Atatürk-Denkmal, sie schwenken die türkische Flagge. Es sollen Erdogan-Anhänger sein.

Auf Medienbildern sind tausende Menschen zu sehen, viele haben Lichter angemacht. Erdogan-Reden wurden schon mehrfach in regierungsnahen Medien übertragen. Er hat schon Vergeltung angekündigt, und gesagt, dass die ihm noch treuen Soldaten bereut seien, einzuschreiten. Von überall her sind Hubschrauber zu hören, gelegentlich dringen auch Schüsse dringen durch die Nacht. NTV zeigt Demonstranten, die Richtung Taksim marschieren.

Gülen unter Verdacht

Hinter dem Putsch, so Ankara, solle die Fethullah-Gülen-Bewegung stecken. Der im US-Exil lebende Prediger ist Erdogans stärkster Gegner. Seine Bewegung wird mittlerweile als Terrororganisation eingestuft in der Türkei. Aber schon wird in den Medien spekuliert, dass Gülen alleine solch einen Putsch nicht verüben konnte. Es wird spekuliert, dass nur ein Teil der Streitkräfte sich gegen die Regierung gestellt habe.

General Erdal Öztürk sagt im Fernsehen, dass nur ein Teil der Streitkräfte hinter dem Putsch stecke. Der Oppositionsführer der CHP, Kemal Kilicdaroglu, mahnt zur Besonnenheit. Die Türken, so Kilicdaoglu, sollten nicht schon wieder Traumata eines Militärputsches erleben. Auch die linke kurdennahe HDP wendet sich gegen den Staatsstreich. (dpa, 14.7.2016)