Seit 2007 leitet Agnes Husslein-Arco das Wiener Belvedere mit Einsatz und eiserner Hand. Auf der positiven Seite stehen eine vielbeachtete Neupositionierung des Hauses und gute Besucher- und Umsatzzahlen. Im Verfahren um eine Wiederbestellung über 2016 hinaus wurden nun aber schwere Verfehlungen publik.

Foto: Julia Stix

Wien – Bis Jahresende bleibt Agnes Husslein-Arco Direktorin des Belvedere und bekommt einen zweiten Geschäftsführer zur Seite gestellt. Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) folgte dem Beschluss des Kuratoriums, der für ihn "grundsätzlich bindend" sei. Dass keine Konsequenzen gezogen wurden, ist für Wolfgang Zinggl nicht nachvollziehbar. Eine Direktorin, die sich nicht an gesetzlich verankerte Richtlinien halte, erklärte der Grünen-Kultursprecher, "schadet nicht nur dem Museum, sondern auch der Republik".

Laut Kuratorium sei der Entschluss nach Vorlage des Berichts des Wirtschaftsprüfers BDO einstimmig erfolgt. Anwesend waren sieben Mitglieder, darunter Kuratoriumsvorsitzender Hans Wehsely (SPÖ), zwei befinden sich derzeit auf Urlaub. Maßgeblich dürfte Hussleins Eingeständnis gewesen sein, gegen bestehende Compliance-Richtlinien verstoßen zu haben.

Ob es sich um ein Zugeständnis handelt, um gesichtswahrend erst Ende des Jahres mit Auslaufen des Vertrags abzutreten, bleibt eine Mutmaßung. Husslein verpflichtete sich, "den gesamten der Österreichischen Galerie Belvedere entstandenen materiellen Schaden unverzüglich zu ersetzen". Welcher Zeitraum davon abgedeckt wird, ist nicht bekannt. Der kolportierte Betrag von 15.000 Euro legt nahe, dass es nur um die seit Anfang des Jahres gemeldeten Vorwürfe geht, die Gegenstand der Sonderprüfung waren, für die etwa 40.000 Euro an Kosten angefallen sein sollen.

Die sechsseitige Powerpoint-Präsentation wirkt eher wie ein Handout zu einem mündlichen Bericht. Den Vorfällen wurde das Prüfungsergebnis beigestellt, das die Rechtfertigungen aus Befragungen umfasst, jedoch keine Erläuterungen zu rechtlicher Relevanz. Die Prüfer haben demnach wie bestellt geliefert, und um die Funktionsfähigkeit des Compliance-Management-Systems war es dem Kuratorium nicht gegangen.

Der Bericht bestätigt eine Vielzahl der bekannt gewordenen Verstöße, etwa auch die Verlegung des Wohnsitzes während der Sommermonate an den Wörthersee, die "eine effektivere und effizientere Wahrnehmung ihrer Aufgaben als oberste Repräsentantin des Belvedere" ermöglicht hätte. Wie berichtet, hat Husslein dazu Reisespesen verrechnet: für Flüge zwischen Klagenfurt und Wien oder auch Kilometergeld für Fahrten innerhalb Kärntens oder nach Salzburg. Begründet wird dies als jahrelang unwidersprochen geduldete Praxis, die dem Kuratorium bekannt gewesen sei. Das ist korrekt, denn STANDARD-Recherchen zufolge fand deshalb 2014 eine Gebarungsprüfung statt.

Veranlasst wurde diese von der seit Donnerstag beurlaubten Prokuristin Ulrike Gruber-Mikulcik in Abstimmung mit Wehsely, zumal das vom Bundeskanzler bestellte Kuratorium als wirtschaftliches Aufsichtsorgan der Geschäftsführung fungiert. Denn Spesen hatten überhandgenommen. Man wollte der Direktorin quasi Sparsamkeit näherbringen. Es ging auch um Bewirtungsspesen, die sich teils als Restaurantbesuche der Familie Husslein entpuppten. Die Wirtschaftsprüfer bestätigten, dass gewisse Usancen bei Hussleins Spesenabrechnung nicht angemessen waren.

Haftungsfrage entscheidend

Demnach war Hans Wehsely spätestens seit 2014 alarmiert. Seit Ende vergangener Woche war auch Kulturminister Drozda darüber informiert. Am 8. Juli erhielten beide einen detaillierten Bericht jener Anwaltskanzlei, die nun Gruber-Mikulcik vertritt. Um eine Intrige geht es dabei nicht, vielmehr um die Haftungsfrage. Denn die Pflichtverstöße und Gesetzesverletzungen seien derart gravierend, dass die Prokuristin meint, sich selbst schützen zu müssen.

Laut diesem dem STANDARD vorliegenden Bericht könnten die Vorfälle juristische Strafbestände erfüllen: "Vertrauenswürdigkeit" und "Untreue im Dienst" (gem. §8 27 Z 1 AngG.), etwa im Falle der auf Kosten des Belvedere verschickten privaten Einladungen zur Hochzeitsfeier des Sohnes 2010.

Zu den schwerwiegendsten Vorwürfen gehört Verwendung der Arbeitskraft von Mitarbeitern für private Zwecke. Beim Auf- und Abhängen von Bildern in der Privatwohnung oder der Ordination Prof. Hussleins oder dem Gassi-Gehen mit Hussleins Hund in der Mittagspause könnte es sich laut OGH-Rechtssprechung um "lupenreine Untreue" (§ 153 StGB) handeln.

Solche "Privatleistungen" waren dem Vernehmen nach seit Winter 2015 mehrfach Grund für Mitarbeiterbeschwerden. Die Belvedere-Richtlinien wurden im Jänner daher um diesen Punkt ergänzt. Laufend gingen seither Meldungen in der Compliance-Abteilung ein. Eine Mitarbeiterin soll laut Falter entlassen und drei Mitarbeiter sollen nach STANDARD-Informationen freigestellt worden sein. (Olga Kronsteiner, 15.7.2016)