Die Wiener Polizei führt statt der umstrittenen "Sicherheitsbürger" nun Grätzelpolizisten ein.

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Das Konzept der umstrittenen "Sicherheitsbürger" ist vom Tisch. Das ist gut. Also keine unausgebildeten Hilfssheriffs auf unseren Straßen. Kein Schritt Richtung Bürgerwehr. Nun sollen Grätzelpolizisten und -polizistinnen für verstärkte Kommunikation und Kooperation mit allen Bürgerinnen und Bürgern eingesetzt werden. Ja, das ist zu begrüßen. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Ist der Auftrag ein Etikettenschwindel zur Beruhigung von subjektiven Sicherheitsgefühlen, oder wird tatsächlich beispielsweise in Antirassismus-Schulungen der Beamten und Beamtinnen und Kommunikation mit der Bevölkerung investiert? Vorsicht ist angebracht.

Was war ursprünglich geplant? Stolz verkündete die Polizei vor einigen Tagen noch den Start des Projekts "Sicherheitsbürger" ab Anfang August in den Bezirken Ottakring, Meidling, Donaustadt, Liesing, Hietzing, Hernals, Währing und Döbling. Man reagiere hier auf ein "wachsendes Unsicherheitsgefühl" in der Wiener Bevölkerung – obwohl dies mit der Entwicklung der Kriminalstatistik in den vergangenen zehn Jahren nicht zu erklären ist –, die Polizei suche Personen an Schlüsselpositionen wie den Obmann des Kleingartenvereins, die mit Sonderinformationen ausgestattet werden sollen. Damit wären Denunziantentum, Vernaderung und letztlich ein dramatischer Vertrauensbruch gegenüber der Exekutive programmiert gewesen. Einige fühlten sich an Blockwart-Systeme erinnert. Von einem "klaren Schritt Richtung Bürgerwehr" sprach etwa Heinz Patzelt, Österreich-Chef von Amnesty International.

Einlenken nach massiver Kritik

Bereits zum Start des Projekts im April gab es massive Kritik von Bürgermeistern, Gemeinderäten und Gemeinderätinnen in Graz, Eisenstadt, Schärding und Mödling. Massive Einwände kamen auch von den Polizeigewerkschaften, der FCG (Fraktion Christlicher Gewerkschaft), der AUF (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher) und der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) im Zentralausschuss der Polizei. Alle kritisierten Doppelgleisigkeit. Denn bereits derzeit ist der Leiter einer Polizeiinspektion Ansprechpartner der Bürger und Bürgerinnen und somit verpflichtet, mit der politischen und behördlichen Ebene Kontakt zu pflegen. Er nimmt also bereits die Aufgaben eines Community-Polizisten wahr.

Dass ÖVP und FPÖ das Projekt "Sicherheitsbürger" in Wien begrüßt haben, zeigt einmal mehr, dass sie selbst die ihnen nahestehenden Polizisten und Polizistinnen im Stich lassen, wenn es darum geht, mit den "subjektiven Sicherheitsgefühlen" der Bevölkerung zu spielen, und damit suggerieren, der Staat könne die Bürger und Bürgerinnen nicht schützen.

Grundsätzlich begrüßenswertes Konzept

Dabei ist das Konzept Community-Policing grundsätzlich begrüßenswert. Die Polizei baut Verbindungsbeamte und -beamtinnen zur Bevölkerung auf, intensiviert den Kontakt, gewinnt das Vertrauen zu Gruppen, erhält wertvolle Informationen und kann so im beidseitigen Interesse präventiv agieren. Dies bewirkt auch demokratiepolitisch eine höhere soziale Kontrolle der Exekutive. Ein Konzept, das auch gegen eine zunehmende, politisch gewollte Abschottung der Polizei arbeitet, bei der eine zunehmende Militarisierung und Aufrüstung zu beobachten ist.

Die Anforderungen an die Polizei haben sich erhöht. Dauerbelastung und höhere Fehleranfälligkeit verbunden mit dem reflexartig ausgebreiteten Mantel des Schweigens isolieren Polizistinnen und Polizisten. Nur hinter vorgehaltener Hand erzählen sie auf der Straße, dass sie zunehmend mit Aufgaben betreut werden, für die sie nicht ausgebildet geschweige denn zuständig sind. Allein in den vergangenen Wochen gab es zwischen 20.000 und 30.000 Überstunden in den U-Bahnen, um "Kleindealer zu fassen". Und noch immer gibt es keine Dolmetscher oder Dolmetscherinnen zu ihrer Unterstützung auf den Straßen. Auch die Diversität unserer Gesellschaft bildet sich innerhalb der Polizei nicht ab. Dafür braucht es den politischen Willen des Innenministers, der sich derzeit lieber mit unsozialen Vorschlägen zur Mindestsicherung profilieren möchte.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Der "Sicherheitsbürger" ist nun vom Tisch. "Community Policing" heißt in Wien Grätzelpolizei. Sei’s drum. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir verstanden haben, dass es auf soziale Probleme nur sozialpolitische Antworten geben kann, und wir damit keine ordnungspolitischen Beruhigungspillen verteilen wollen, haben wir tatsächlich etwas gelernt. Das Bedürfnis nach mehr Sicherheit bedeutet auch, entschlossen gegen das Schüren von Ängsten aufzutreten, die der Grund für solche Initiativen sind. Da stehen wir erst am Anfang. (Birgit Hebein, 15.7.2016)