Fotos: Lisi Specht

Der Wiener Dirigent und Intendant Andreas Stoehr wohnt in harmonisch komponierten Räumen mit Blick ins Grüne. Nach Jahren auf Achse ist die Wohnung nun Ausdruck von Fernweh und Heimweh zugleich, sagt er.

"Das Spinett ist irgendwie das Zentrum meines Wohnens. Es ist sozusagen die Mini-Ausgabe eines Neupert-Cembalos. Ich hatte früher ein großes Instrument, über zwei Meter lang. Aber mit all den Umzügen ging das nicht mehr. So beschloss ich, mein Cembalo aufzugeben und gegen dieses Spinettchen aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren zu tauschen. Ich liebe den klaren, geradlinigen Anschlag und diesen Klang. Aber ehrlich gesagt spiele ich viel zu selten darauf, denn die meisten Partituren erarbeite ich am Klavier.

"Ich denke, jetzt bin ich endlich angekommen." Andreas Stoehr in seinem Arbeitszimmer mitsamt Spinett und Masken aus Bad Aussee und Venezuela.
Foto: Lisi Specht

Auch sonst ist überall Musik zu sehen. Im Wohnzimmer steht ein Flügel, auf dem Fensterbrett ein Metronom und überall Noten, Noten, Noten. Ein paar Klavierauszüge, die wir haben, sind sehr alt. Die Musik ist einfach prägend. Ich würde sogar sagen: Wir wohnen in der Musik. Das zeigt sich vielleicht auch daran, dass ich jemand bin, der sich nach optischer Harmonie sehnt, der sich die Kepler'sche Weltharmonik ins Wohnzimmer holt. Ich denke, das ist das visuelle Gegenstück zur akustischen Harmonie, mit der ich mich beschäftige. Wie meine Wohnung klingen würde? Vielleicht wie a-Moll? Oder As-Dur?

Fotos: Lisi Specht

Die Wohnung liegt im dritten Bezirk, unweit des Botanischen Gartens. Gefunden haben wir sie vor vier Jahren übers Internet. Es war an einem grauen Tag mit Schneeregen, die Eingangssituation im Haus war ziemlich na ja, und es war ein Sammeltermin mit vielen Interessenten. Kein toller Start. Allerdings hatte ich das Glück, gleich neben dem Lift zu stehen und mit der Maklerin als Erster hinauffahren zu können. In dem Moment, da ich das Wohnzimmer betreten habe, war sofort klar: Unterschreiben!

Die Wohnung hat so an die 130 m² und ist absolut spiegelgleich geschnitten. Ursprünglich waren das zwei gegenüberliegende Wohnungen, was man an den unterschiedlichen Parkettböden erkennt. Nachdem die Mitteltrennwand entfernt wurde, ist das Wohnzimmer jetzt riesig – mit vier großen Fenstern und Blick in einen großen, begrünten Innenhof. Meine Frau Elizabeth und ich fühlen uns hier wohl. Nachdem wir in den letzten 25 Jahren 17-mal umgezogen sind, freue ich mich, sagen zu können: Da werden wir für längere Zeit bleiben.

Foto: Lisi Specht

Wir haben iranische Teppiche, chinesische und thailändische Schränke, Masken aus Lateinamerika, Afrika und Österreich und diverse Funde aus dem Dorotheum. Vielleicht ist das alles, was man hier sieht, Ausdruck eines Fernwehs. Der Beruf hat mich ja zeit meines Lebens weit getrieben. Und ganz tief drinnen, davon bin ich überzeugt, ist dieses permanente Fernweh in mir, das ich auch heute noch spüre, nichts anderes als eine pervertierte Form des Heimwehs. So gesehen bin ich in dieser Wohnung endlich angekommen. Auch wenn ich das noch nicht ganz realisiert habe.

Wir wohnen hier in Miete. Alle meine Wohnungen waren immer Mietwohnungen. Ich kann den Drang nicht nachvollziehen, dass man unbedingt etwas besitzen muss. Wir besitzen schon so viel. Wir sind so eigentumsgeprägte Lebewesen. Was noch! Da will ich nicht auch noch eine Immobilie besitzen müssen. Am Ende meines Lebens wird ja eh alles verpuffen im Nichts, und das war's dann.

Foto: Lisi Specht

Das Einzige, was ich mir auf meine alten Tage wünschen würde, wäre vielleicht noch ein Vierkanter irgendwo. Das wäre mein absoluter Traum. Andererseits beißt sich diese Idee, denn ich bin so sehr Stadtmensch, dass ich mir ein Leben auf dem Land fast gar nicht mehr vorstellen kann. Und ein Vierkanter am Botanischen Garten wird sich nicht so rasch finden lassen. Macht nichts. Ich bleibe da. Gut für mein Heimweh." (18.7.2016)