So unfreundlich wie der neue britische Außenminister Boris Johnson ist in der Europäischen Union wohl noch nie ein Chefdiplomat eines Mitgliedslandes von seinen Kollegen begrüßt worden: "BoJo", wie er von den Medien in London liebevoll genannt wird, sei "kein zuverlässiger Partner", ließ Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault wissen. Dieser habe bei der Brexit-Kampagne "das britische Volk immer wieder angelogen, jetzt ist er es, der mit dem Rücken zur Wand steht". Und als sei das nicht genug, schoss er in einem Gespräch mit dem Radiosender Europe 1 noch nach: "Ich brauche ein Gegenüber, mit dem ich verhandeln kann; einen, der eindeutig, glaubwürdig und verlässlich ist."

Demgegenüber nahm sich die Einlassung von Ayraults Kollegen in Berlin geradezu freundlich bewundernd aus: Johnson sei "ein gewiefter Politiker, der es verstanden hat, die europaskeptische Stimmung für sich zu nutzen", ließ der deutsche Außenmimister Frank-Walter Steinmeier wissen. Nun stünden andere politische Aufgaben im Vordergrund, "Boris" solle jetzt "außenpolitische Verantwortung" übernehmen.

Diese starke Reaktion der größten und wichtigsten Partner Londons in der Union zeigt, wie groß die Skepsis in Brüssel vor allem gegenüber Johnson ist. Der Ex-Journalist hatte in seinen langen Jahren als Kolumnist des Telegraph seinerseits eine Unzahl von Attacken gegen Spitzenpolitiker in der EU geritten. Das erste Treffen auf EU-Ebene wird es bereits Sonntagabend bei einem Essen geben, das Außenbeauftragte Federica Mogherini gibt. Eigentlich wollte man mit Vorgänger Philip Hammond in Ruhe darüber reden, wie es weitergehen soll. Nun wird es wohl "aufgekratzt" sein.

Johnson nicht direkt involviert

Dabei wird Johnson in die Exit-Verhandlungen nicht direkt involviert sein. Premierministerin Theresa May hat mit David Davis einen eigenen Brexit-Minister ernannt, der mit der Taskforce der EU verhandeln wird, die direkt Ratspräsident Donald Tusk unterstellt ist. Nach Beschlusslage soll es aber keine Verhandlungen vor einem offiziellen Austrittsantrag nach Artikel 50 des EU-Vertrags geben. "Gespräche" aber schon. (Thomas Mayer aus Brüssel, 14.7.2016)