Ein Kameramann filmt den Regionalzug in Würzburg.

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Die Deutsche Presse Agentur hat nach dem Axtangriff bei Würzburg einen Text mit folgendem Titel verschickt: "Viele Afghanen unter minderjährigen Flüchtlingen". Das kann man jetzt als Service verstehen, Hintergrundinformationen zu liefern (was sicherlich auch die Intention war). Man kann das aber auch als eine gewisse Vorverurteilung auffassen: Heißt das jetzt, dass jeder afghanische minderjährige Flüchtling ein potenzieller Attentäter ist?

Die Gemengelage rund um die Tat in einem Regionalzug ist verheerend, das zeigt nicht nur dieses Detail. Laut Ermittlern wurde der Täter 2015 als Asylwerber registriert – in jenem Jahr also, das durch massive Flüchtlingsbewegungen und eine erratische europäische Flüchtlingspolitik in die Geschichte eingegangen ist und zu einer gesellschaftlichen Spaltung geführt hat. Auf der einen Seite die "Refugees welcome"-Fraktion, auf der anderen die Sektion "Festung Europa".

Die EU-Staaten zeigten und zeigen sich uneinig in Sachen Flüchtlingsverteilung. Gegner einer Quotenlösung, vor allem in Osteuropa, argumentieren angesichts der zahlreichen Ankommenden aus dem Nahen Osten, dass der Islam nicht zu Europa gehöre. Außerdem wird nur zu oft auch ein direkter Konnex zwischen Flüchtlingen und Terrorismus hergestellt.

Nun ist es nicht so, dass mit der Tat bei Würzburg zum ersten Mal in Europa nachweislich ein direkter Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und einer terroristischen Tat besteht. Bei den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 stellte sich heraus, dass einige Täter zuvor als syrische Flüchtlinge auf der griechischen Insel Leros registriert wurden. Und von jenen Männern, die am 22. März 2016 die Attentate in Brüssel ausgeführt haben, sind zumindest drei über die Balkanroute eingereist.

Doch der Axtangriff in Bayern, auch wenn es im Vergleich zu anderen Taten weniger Opfer gab, besitzt eine ungeheure Sprengkraft. Er rüttelt an den Grundfesten jener, die helfen wollen, und ist Wasser auf den Mühlen derer, die sich abschotten wollen. Der Täter war ein 17-jähriger Afghane, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Europa kam – also Alter, Herkunft und soziales Umfeld betreffend zu jenen gehörte, die Hilfe am allerdringendsten benötigen. Und der in jenem Land Zuflucht fand, das mit Abstand die meisten Flüchtlinge aufnahm. Erst vor zwei Wochen kam er zu einer Pflegefamilie. Vorbildlicher geht es eigentlich nicht mehr.

Was das Motiv dieser Wahnsinnstat betrifft, weisen viele Indizien in Richtung "Islamischer Staat", und die Terrormiliz hat den Angriff auch bereits für sich reklamiert. Eines darf dabei aber nicht vergessen werden: Der IS gerät in seinem Kerngebiet in Syrien und dem Irak aufgrund diverser Militäroffensiven immer mehr in die Bredouille. Um Druck auf jene Länder auszuüben, die gegen den IS kämpfen – etwa Frankreich –, wird dazu aufgerufen, ebendort Terroranschläge auszuführen. Attentate, so das Kalkül des selbsternannten "Kalifats", sollen in Europa aber auch eine Angst und Wut entfachen gegenüber jenen, die unter anderem vor dem IS geflüchtet sind, um sie nun paradoxerweise in dessen Hände zu treiben.

Es gibt gute Gründe, angesichts der sich häufenden Terroranschläge wütend zu sein. Doch die Wut sollte die Richtigen treffen. Europa darf nicht in die perfide Falle tappen, die der IS gestellt hat. Es sind nicht die Flüchtlinge, die es zu bekämpfen gilt. Es ist eindeutig der Islamische Staat. (Kim Son Hoang, 19.7.2016)