London – Boris Johnson spricht Französisch. Das war dann, sagen seine Kritiker, schon alles, was den neuen britischen Außenminister für sein Amt qualifiziert. Denn der EU-Gegner hat in den vergangenen Jahren nicht viele Gelegenheiten ausgelassen, um Spitzenpolitiker und Staaten vor den Kopf zu stoßen. Ob Hillary Clinton, Recep Tayyip Erdogan, die EU oder China – vor seiner spitzen Zunge war kaum jemand sicher.

Als Außenminister kann Johnson nun jene "globale Entschuldigungstour" starten, die er schon vor zehn Jahren sarkastisch angekündigt hatte, nachdem er sich mit einem Menschenfresser-Vergleich in die Nesseln gesetzt hatte. Genervt von den immer wiederkehrenden innerparteilichen Führungsdiskussionen hatte Johnson damals gesagt, seine Torys betrieben "Orgien von Kannibalismus und Häuptlingstötungen wie in Papua-Neuguinea".

"Legionen von gescheiterten Chinesen"

Nur etwas höher sind bei ihm die Chinesen angesiedelt. Den globalen Einfluss der chinesischen Kultur taxierte der Ex-Journalist jedoch auf "praktisch null". Es gebe keine chinesischen Nobelpreisträger, dafür aber "Legionen von gescheiten Chinesen, die nach Stanford oder Caltech (US-Eliteuniversitäten) flüchten wollen", schrieb Johnson im Jahr 2005 in einem Zeitungsartikel. Drei Jahre später beleidigte er dann auch noch den chinesischen Nationalsport Tischtennis. Dieser sei nämlich in Großbritannien erfunden worden, so wie praktisch alle Sportarten. "Ich sage den Chinesen und der Welt, dass Pingpong nach Hause kommt", rief der damalige Londoner Bürgermeister aus, als er die Olympia-Fahne von Peking übernahm.

Doch auch US-Politiker stehen bei Johnson nicht hoch im Kurs. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bezeichnete er während ihrer ersten Bewerbung im Jahr 2007 als "sadistische Krankenschwester in einer Nervenklinik". Den damaligen US-Präsidenten George W. Bush charakterisierte er im Jahr 2003 als "schielenden texanischen Kriegstreiber, der sich nicht artikulieren kann", dessen Nachfolger Barack Obama als "zum Teil kenianischen Präsidenten" mit einer Abneigung gegenüber dem britischen Empire. Vergleichsweise mild gab sich Johnson ausgerechnet gegenüber Donald Trump. "Der einzige Grund, warum ich bestimmte Teile von New York nicht besuche, ist das reale Risiko, Donald Trump zu begegnen", sagte er kürzlich.

Napoleon, Hitler und die EU

Mit Spannung darf auch erwartet werden, welche Figur Johnson bei EU-Außenministertreffen machen wird. Als Brüssel-Korrespondent hatte er die Europaskepsis der Briten in den 1990er-Jahren mit zum Teil erfundenen Geschichten über die EU-Bürokratie gefördert, das Brexit-Referendum stellte er auf eine Stufe mit dem heldenhaften Kampf Großbritanniens gegen Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Wie Hitler versuche auch die EU einen gemeinsamen Staat ohne demokratische Legitimation zu errichten, sagte er im Mai dem "Sunday Telegraph". "Napoleon, Hitler, verschiedene Leute haben es versucht, und es endet auf tragische Weise." EU-Ratspräsident Donald Tusk reagierte empört über das "gefährliche Blackout" Johnsons, auch andere EU-Spitzenpolitiker übten scharfe Kritik.

Während er seinen EU-Amtskollegen bis zum tatsächlichen Brexit kaum auskommen wird, dürfte Johnson um die türkische Hauptstadt Ankara einen großen Bogen machen. Dort könnte ihm nämlich ein Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung drohen. Nach der Affäre um das "Schmähgedicht" des deutschen Satirikers Jan Böhmermann hatte er sich an einem Wettbewerb um das beste Anti-Erdogan-Gedicht beteiligt, ausgeschrieben von der Londoner Zeitung "The Spectator. Johnson siegte mit einem knackigen, wenngleich sprachlich fragwürdigen Limerick: "Da war einmal ein junger Typ aus Ankara, der war ein großartiger Wichser, bis er sich seine Hörner mit einer Ziege abstieß und ihr dafür nicht einmal dankte." (Im Original: "There was a young fellow from Ankara, Who was a terrific wankerer. Till he sowed his wild oats, With the help of a goat, But he didn’t even stop to thankera.") (APA, 14.7.2016)