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Synergien: CS-Intendant Holger Bleck (Zweiter von links) hat die African Angels bei dem von ihm organisierten Belvedere-Gesangswettbewerb kennengelernt und für 19. August nach Kärnten eingeladen.

Foto: Cape Town Opera

Ossiach – Fünf junge Blechbläser und eine Schlagwerkerin in seltsamen Kostümen, ein bisschen Mittelalter, ein bisschen Hippie, ein bisschen Clown, klettern in, sagen wir, St. Urban am Ossiacher See aus dem Zug. Und spielen fetzige Arrangements, die der Komponist Oskar Aichinger aus Kärntner Liedern und Jazz, argentinischem Tango und österreichischer Volksblasmusik zusammengemixt hat. Valossn in Blues, heißt das dann. Oder Swing Wiederschwing.

Carinthischer Sommer unterwegs: Diese Musikbotenfahrten an den Juli-Wochenenden sind das Einstandsgeschenk des neuen CS-Intendanten Holger Bleck. Seine erste Saison klingt vielversprechend, musikalische Spurensuchen durch Stiftshöfe und Schlossgärten; ganztägige Picknick- und ausgewählte Porträtkonzerte. Eines ist dem jungen tschechischen Komponisten Ondřej Adámek gewidmet. Der Artist in Residence des CS zweckentfremdet Gummihandschuhe, Ballons und Staubsauger für seine Tonmalereien.

Ja, es weht ein frischer Wind über den See. Wenn nur nicht angesagte Regenstürme Blecks Pläne für das frei zugängliche Eröffnungsfest am Donnerstagabend buchstäblich unter Wasser setzen: Für die von Renald Deppe komponierte Wassermusik sollen um 21 Uhr am Ossiacher Ufer 250 Choristen, auf dem gegenüberliegenden Ufer in Bodensdorf 60 Feuerwehrleute Position beziehen, die Folgetonhörner der Feuerwehrautos werden Teil der Komposition sein. Zwischen Ossiach und Bodensdorf, mitten auf dem See also, werden sich auf zwei Ausflugsdampfern an die 180 Bläser und, auf zwei Flöße verteilt, die Schlagzeuger ans Uraufführungswerk machen.

Und zum Abschluss, verspricht Bleck, werde es kein obligates Feuerwerk geben, "aber etwas, das den Klang der Region aufspürt."

STANDARD: Haben Sie Wohnsitz und Arbeitsplatz schon ganzjährig nach Kärnten verlegt? Von Ihrem Vorgänger Thomas Daniel Schlee hat man das verlangt – das war angeblich einer der Gründe, warum er nach 17 Jahren seinen Vertrag nicht mehr verlängern wollte.

Bleck: Verlangen kann man viel. (lacht) Nein, ich arbeite von Wien aus, nur von Anfang Juni bis Ende August übersiedeln mein Team und ich nach Kärnten. Es hieß ja, die Verlegung müsste aus wirtschaftlichen Gründen erfolgen. Ich denke, ich habe eine gute Lösung gefunden: Der CS mietet seit den 1970er-Jahren in Wien ein etwa 200 Quadratmeter großes Büro. Das werde ich zu Jahresende renovieren und, wie es mir vertraglich erlaubt ist, untervermieten, um so unsere Miete in Wien zu finanzieren. Das umfangreiche Archiv des CS wird dafür dem Kärntner Landesarchiv übergeben. Wir werden es hier wissenschaftlich aufarbeiten, zum 50-Jahr-Jubiläum des CS 2019 möchte ich eine umfangreiche Publikation herausgeben.

STANDARD: Ein Argument war auch, dass man die Kärntner Seele besser kennt, wenn man das ganze Jahr hier ist. Kennen Sie Ihr Publikum?

Bleck: Ab dem Tag, als ich berufen wurde, habe ich viel Zeit und Kraft darauf verwendet, die Menschen hier kennenzulernen. Es ist mein ureigenes Interesse, die Seele Kärntens zu erfassen und die hiesigen Kulturinstitutionen, die Chorakademie, den Blasmusikverband, die Carinthische Musikakademie einzubinden. Ich möchte aktiv auf die Menschen zugehen, denn das Festival hat ein gutes Stammpublikum, aber es gibt wesentlich mehr Menschen, die zwar von uns wissen, aber fürchten, das sei zu hochgestochen. Da hoffe ich, dass die jungen Musiker des CS unterwegs wie der Rattenfänger von Hameln durchs Land ziehen und die Menschen neugierig machen. Ich bin zutiefst überzeugt und will das auch vermitteln: Musik ist nicht elitär, sie wird höchstens elitär gemacht.

STANDARD: Haben Sie deshalb auch die Unterscheidung in "klassische" Konzerte und die Avantgardeschiene CS Alternativ aufgehoben?

Bleck: Ich komme aus einer ländlichen Gegend, habe seit meinem sechsten Lebensjahr immer ein Instrument gespielt, bin quer durch alle Stile gewandert: Blasmusik, Jazz, Bigband und Free Jazz. Ich habe aber auch eine klassische Ausbildung und Klarinette studiert. Diese Vielfalt will ich beim CS an andere Menschen weitergeben. Qualität im Sinne einer ernsthaften Auseinandersetzung ist natürlich wichtig. Aber das heißt nicht, dass automatisch alles ernst sein muss. Humor in die Kunst zu bringen ist eine große Herausforderung. Ich bin kein Schönfärber, aber ich glaube, dass Festivals Menschen aus der Realität herausheben sollten in eine neue, in eine Zauberwelt. Mir ist wichtig, dass die Besucher, unabhängig vom Musikstil, rausgehen und ein positives Gefühl, Beglücktheit mitnehmen.

STANDARD: Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als Intendant?

Bleck: Ich vergleiche es gern mit einem Koch: Jedem von uns stehen alle Zutaten zur Verfügung, aber nur wenige begnadete Köche können daraus etwas zaubern, was die Sinne kitzelt. Ich weiß nicht, ob ich ein guter Koch bin, aber ich versuche es. Alle Elemente, die ich verwende, gab es schon, Wassermusik, Picknickkonzerte – ich nehme Zutaten, setze sie neu zusammen, kombiniere, nehme mir von überall.

STANDARD: Wie sind Ihre Pläne bisher aufgenommen worden?

Bleck: Ich bin von den Menschen, aber auch von der Politik in einer mir ungewohnten Weise begrüßt worden, und zwar parteiübergreifend. Das hat mich überrascht, das war ich aus Wien nicht gewohnt. Ich habe wirklich den Eindruck, man freut sich, dass ich da bin. Das ist ein schönes Gefühl, das einen trägt. Es ist manchmal wie Adrenalin.

STANDARD: Daher auch das diesjährige CS-Motto "Zum Paradies"?

Bleck: Ein Motto entsteht für mich immer in der Beschäftigung mit dem Programm und der Region. Vor einigen Jahren stand ich im Stiftsinnenhof, schaute durch den Durchgang auf den See und dachte, was für ein schöner Ort das ist – ohne zu ahnen, ich könnte hier einmal arbeiten. Als ich den Job bekam, stellte ich mich wieder dorthin und dachte: Hier kannst du nun Programm machen. Klasse! Das Motto kam auf mich zu. Ich habe René Clemencic eingeladen, einerseits, damit er in der kleinen Tiffner Kirche Alte Musik interpretiert; und ich wollte eine Komposition von ihm aufführen. Es stellte sich heraus, dass der Titel dieser bisher noch nie gespielten Komposition "Der Schlüssel zum Paradies" heißt, nach einem Gedicht von H. C. Artmann. Bei diesem Text ging in der Mitte der Programmierung, wenn man so will, der Knoten auf. Ich wusste vorher noch nicht so genau, wohin der Weg geht. Ab dem Augenblick war es leicht, den Rest des Programms zu machen. "Zum Paradies" ist erst einmal eine Behauptung, eine Vision, eine programmatische Ansage, die in die Zukunft zielt.

STANDARD: Ihr Vorgänger litt unter sinkenden Subventionen. Wie geht es dem CS finanziell?

Bleck: Schlee hatte völlig recht, der CS ist unterdotiert. Unser Budget beträgt 1,6 Millionen Euro inklusive aller Einnahmen. Die Subventionen wurden nochmals gekürzt. Schlee stieg mit 424.000 Euro aus, ich habe 370.000 bekommen. Auch der Bund hat seine Subvention um 10.000 Euro auf 340.000 gekürzt. Ich sehe mein Programm als eine Art Vorleistung in der Hoffnung, dass nicht nur die Politik, sondern auch die Menschen mehr davon haben wollen. Und dann kann man überlegen, wie man das künftig finanzieren kann, ob Bund, Land und Stadt bereit sind zu investieren.

STANDARD: Ist es Ihnen wie angekündigt gelungen, mehr Sponsorengelder aufzutreiben?

Bleck: Das wird mir vermutlich nicht jedes Jahr gelingen, aber ich konnte das Sponsorengeld von 100.000 auf 200.000 Euro verdoppeln. Ohne den Großsponsor, nämlich die Gottfried-von-Einem-Stiftung, wäre die Kirchenoper – deren Fortführung eine Bedingung in der Ausschreibung war – kein Thema gewesen. Sie ist mit dem uns zur Verfügung stehenden Geld nicht möglich, außer ich finde Geldgeber – und Kooperationspartner. Das habe ich wunderbarerweise schon dieses Jahr in Florian Scholz, Intendant des Stadttheaters Klagenfurt, gefunden. Das Stadttheater stellt das Orchester, den Chor, wir können dort proben, die Werkstätten nutzen.

STANDARD: Was kam eigentlich zuerst: der Sponsor oder die Idee, Einems Kirchenoper "Jesu Hochzeit" aufzuführen, die er zwar für den CS komponiert, aber wegen heftiger Proteste nie hier aufgeführt hat?

Bleck: Natürlich die Kirchenoper! In den letzten Jahren gab es keine, die Frage war also, wie und wo man da wieder ansetzt. Ein Kompositionsauftrag war schon allein aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit nicht möglich. Als ich mich mit der Geschichte des CS beschäftigte, stieß ich auf "Jesu Hochzeit". Es war wie ein Geschenk. (Andrea Schurian, 13.7.2016)