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Theresa May ist nun alleinige Kandidatin im Rennen um das britische Premiersamt und den Parteivorsitz der Tories.

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Energiestaatssekretärin Andrea Leadsom zog sich am Montag zurück.

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Die steinernen Mienen ihrer Gefolgsleute im Hintergrund sprachen Bände. Als Andrea Leadsom am Montagmittag überraschend vor die Tür ihres Wohnhauses in London trat, um ein Statement zu verlesen, wusste jeder, was jetzt kommt: noch ein Rücktritt. Nachdem zuerst David Cameron als Premierminister aufgegeben hatte, dann Boris Johnson darauf verzichtete, sich als sein Nachfolger zu bewerben, hat nun auch Andrea Leadsom entschieden, sich aus dem Rennen um den Parteivorsitz der Konservativen zu nehmen. Damit wird Theresa May – einzige noch verbleibende Kandidatin – die künftige Tory-Chefin und damit nach Margaret Thatcher zweite britische Premierministerin werden.

Am Montagabend ist May auch offiziell zur Parteichefin der Konservativen Partei ernannt worden.

Leadsom wurde ihre Unerfahrenheit im Umgang mit den Medien zum Verhängnis. In einem Interview mit der Times hatte sie darauf verwiesen, dass sie drei Kinder zur Welt gebracht habe, ihre Gegenkandidatin Theresa May hingegen kinderlos sei. Sie legte nahe, dass sie deswegen besser für das Premierministeramt geeignet sei, weil sie als Mutter "eine sehr reale Teilhabe an der Zukunft unseres Landes" habe.

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Das Interview löste einen Sturm der Entrüstung aus, weil es für May als Schlag unter die Gürtellinie angesehen wurde. Ein Dementi von Leadsom, die es nicht so gemeint haben wollte, half dann auch nicht mehr viel. Am Montag konnte sich die Staatssekretärin im Umweltministerium ausrechnen, dass sie bei den Parteimitgliedern nicht mehr genug Unterstützung finden würde.

"Ideale Position"

Sie habe mit weniger als 25 Prozent der Abgeordnetenstimmen "nicht genug Unterstützung, um eine starke und stabile Regierung zu führen", sagte Leadsom am Montagnachmittag. Sie sprach May ihre volle Unterstützung aus.

Leadsom selbst begründete am Montag ihren Rückzug damit, dass das Land jetzt eine geeinte Partei und eine starke Führung brauche. May "ist in einer idealen Position, um den Brexit zu den bestmöglichen Bedingungen für das britische Volk umzusetzen – und ich denke, das wird sie tun."

Das bestätigte auch May am Montag selbst in Birmingham. "Brexit bedeutet Brexit", sagte sie, "und wir machen einen Erfolg daraus." Damit könnte ein "Exit vom Brexit" vom Tisch sein. Es gehe darum, sagte May, das Land "durch eine Zeit ökonomischer und politischer Unsicherheit zu steuern" im Versuch, "eine neue Rolle für uns in der Welt zu schmieden". Dazu brauche es eine "starke und bewährte Führerschaft" – sie meinte sich selbst.

Laut Noch-Premier David Cameron gebe es bis "Mittwochabend eine neue Premierministerin." Am Dienstag, so Cameron, werde er seine letzte Kabinettssitzung leiten, am Mittwoch sich ein letztes Mal den Fragen der Parlamentarier stellen um danach der Königin seinen Rücktritt mitzuteilen.

May ist die längstdienende Innenministerin, die die Konservativen je hatten. Sie gilt als erfahren, solide, versiert; sie gehört dem moderaten Flügel an und hat, obwohl sie mit europaskeptischen Positionen hervorgetreten ist, im Referendumswahlkampf die Seite der EU-Freunde vertreten.

"Die Eiskönigin"

Einige ihrer Kollegen nennen sie die "Eiskönigin". Damit sind ihre kühle persönliche Art und ihr hartes Verhandlungsgeschick ebenso gemeint wie der Umstand, dass sie unter Kollegen keine Gefolgschaft kultiviert hat, wie es andere tun. May versuchte stets, mit Kompetenz zu trumpfen.

In Sachen Brexit sagte sie, dass sie mit der Anrufung von Artikel 50 – der den Austrittsprozess in Gang setzt – warten wolle, "bis eine Exitstrategie klar ist". Außerdem wolle sie nicht auf einen harten Brexit zusteuern, sondern "den bestmöglichen Zugang zum Binnenmarkt" anstreben.

Justizminister Michael Gove gab am Nachmittag bekannt, dass er May als neue Premierministerin unterstütze. "Ich habe keinen Zweifel, dass Theresa eine exzellente Parteivorsitzende und Premierministerin wird", sagte auch Brexit-Befürworter Boris Johnson. Der Konservative bezeichnete Leadsoms Entscheidung, sich zurückzuziehen, als "mutig". Der scheidende Ukip-Chef Nigel Farage zeigte sich hingegen enttäuscht. (Jochen Wittmann aus London, 11. Juli 2016)