Glücklicherweise spricht sich langsam herum, dass Gewalt gegen Frauen nicht wirklich salonfähig ist. Aber wehe, es handelt sich dabei um einen sozial gutgestellten Herrn – oder um eine internationale Berühmtheit. Dann kann der Täter mit Milde rechnen, während die Geschichte des Opfers in den Hintergrund treten darf.

Hinterbliebene im Fall Oscar Pistorius werden damit abgespeist, dass der Mann, der ihre einzige Tochter auf grausame Weise ins Jenseits befördert hat, "zerstört und ruiniert" sei, eine Feststellung der Richterin, unter anderem, um die lächerliche Strafe von nur sechs Jahren zu begründen. Frauenorganisationen laufen Sturm dagegen. Wäre das erschossene Model ein Rhino gewesen, hätte der Strafrahmen bis zu zehn Jahre betragen.

Auch plastisch ließ der Vater des Vergewaltigers und Stanford-Studenten Brock Turner erkennen, welchen Stellenwert das Opfer, eine schwarze junge Frau, für die Gesellschaft haben sollte: Zwanzig Minuten Handlung sollten nicht das Leben seines Sohnes zerstören. Als hätte sich die Handlung losgelöst von dessen Absichten entrollt wie eine Katastrophe, als wären diese 20 Minuten nicht prägend für das weitere Leben des Opfers. Der Richter verhängte ganze sechs Monate Strafe.

Wenn es mächtige, weiße Männer zu schützen gilt, springt die Justiz immer wieder wie ein Pawlow'scher Hund, der jahrhundertealte Reflexe einfach nicht in den Griff bekommt. (Julya Rabinowich, 10.7.2016)