Der Südsudan kommt meist als "vergessener Konflikt" – wie im STANDARD in der derzeit laufenden Serie – vor, außer wenn besonders hohe Opferzahlen ihm einen Platz in den aktuellen Nachrichten verschaffen. Das ist momentan der Fall: In der Hauptstadt Juba wird seit dem Wochenende, auf das der fünfte Jahrestag der 2011 erlangten Unabhängigkeit fiel, wieder gekämpft.

Die Gründe für diesen Bürgerkrieg sind komplex. Eines allerdings hat den gesamten globalen Westen/Norden zu interessieren: Im Südsudan wird die Vorstellung zu Grabe getragen, dass auch bei schlechten Voraussetzungen ein erfolgreicher Staat geschaffen werden kann, wenn sich die internationale Gemeinschaft nur genügend engagiert. Der Südsudan war ein internationales Projekt, in das viel Geld und Arbeit geflossen sind, mehr als in irgendeinen anderen neuen Staat. Und dennoch hat es nicht funktioniert.

Ein Antriebsgrund für beteiligte Staaten war die Schwächung des Nordens und seines Präsidenten Omar al-Bashir. Sobald der Norden weg war, war es aber auch der Zusammenhalt des stark fraktionierten Südens, genau wie es Experten stets vorausgesagt hatten. Das kapitalistische Staatsbildungsrezept – man nehme Wahlen, Institutionen, eine Marktwirtschaft – funktioniert aber nicht nur im Südsudan nicht. Auch der Irak oder Libyen gehören auf die Liste. Die Frage, wie sich in einer gespaltenen Gesellschaft eine Führung nationale Legitimität verschafft, ist unbeantwortet. (Gudrun Harrer, 10.7.2016)