Entschuldigung auf der Homepage von "Reportagen"-Chefredakteur für Tom-Kummer-Plagiat.

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Bern – Ende der 1990er-Jahre publizierte Tom Kummer Interviews mit Hollywoodgrößen in renommierten deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften wie "Der Spiegel", "Die Zeit", "FAZ" und "SZ" – bis sich herausstellte, dass viele frei erfunden waren. Jetzt macht der Schweizer Journalist wieder von sich reden: Wie die "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") berichtet, hat Kummer nun für Zeitungsartikel in den Magazinen "Weltwoche" und "Reportagen" große Teile aus anderen Texten abgeschrieben.

29 Texte des 53-jährigen Journalisten zählte die "NZZ" in der "Weltwoche". Sieben davon hat die renommierte Tageszeitung untersucht, und bei allen sieben wurde sie mittels Plagiatssuchprogramm fündig. Die "NZZ" fand Passagen aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der "Zeit", "Focus" und der "Süddeutschen Zeitung".

Keine Toleranz für journalistische Fehlleistungen

"Weltwoche"-Chefredakteur Roger Köppel, der Kummer 2013 noch "eine zweite Chance" gegeben hatte, gab sich auf Anfrage der "NZZ" zurückhaltend: Die "Weltwoche" toleriere keine journalistischen Fehlleistungen, sondern "sanktioniert sie. Tom Kummer schreibt seit längerem nicht mehr für die 'Weltwoche'."

Daniel Puntas Bernet, Chefredakteur von "Reportagen", wo laut "NZZ" ebenfalls Kummer-Texte mit abgeschriebenen Passagen erschienen sind, spricht von einem "Vertrauensbruch" und entschuldigte sich öffentlich. Die Redaktion sei enttäuscht, schreibt Puntas Bernet. "Wir wussten, wie es um den Ruf Tom Kummers, der um die Jahrtausendwende Interviews mit Hollywoodstars gefälscht hatte, bestellt war. Wir sind aber der Meinung: Jeder hat eine zweite Chance verdient. Beim Start von 'Reportagen' 2011 versprach uns Kummer, nie mehr zu schummeln. Dieses Versprechen hat er nun gebrochen – und damit seine journalistische Glaubwürdigkeit erneut verspielt."

Quellenangaben störend

Kummer reagierte auf Anfrage der "NZZ" selbstbewusst: Er habe seine Arbeitsweise immer in einem Kunst-Zusammenhang gesehen, sagt Kummer der Schweizer Tageszeitung. "Quellenangaben halte ich für ästhetisch störend, und sie hemmen den Lesefluss."

Die Plagiate erklärte er, der sich selbst als Vertreter des "Borderline-Journalismus'" bezeichnete, als seine ganz spezielle journalistische Arbeitsweise: "Musiker, Maler und Literaten haben sich schon immer aus dem kulturellen Fundus bedient, zwischen Hommage und Abgrenzung, Zitat und Reformierung." Dazu benutze er frei verfügbares Material, das er ausgesprochen gut finde, und setze es "unverändert in einen neuen Kontext". So entstehe ein neuer Text, der "einen völlig eigenen Tom-Kummer-Sound und eine originelle Tom-Kummer-Erzähltechnik" vermittle. (red, 10.7.2016)