Syrische Flüchtlinge verteilten nach den Silvester-Übergriffen in Köln vor dem Hauptbahnhof Blumen, um ihre Solidarität mit den Opfern zu zeigen – und der Anti-Ausländer-Stimmung entgegenzuwirken.

Foto: AFP / Patrik Stollarz

Wir haben uns daran gewöhnt, dass in den Nachrichten ausländische Straftäter anhand ihrer Herkunft beschrieben werden. Es erscheint uns als harmlos, doch tatsächlich ist diese Praxis einer der Hauptgründe für die Feindseligkeit, die Ausländern in Österreich entgegenschlägt.

Warum ich das behaupten kann? Ich habe ein ganzes Jahr im Rahmen meiner Diplomarbeit die Kronen Zeitung studiert. Nach 365 Tagen Kleinformat konnte ich das Wort "Ausländer" nicht mehr ohne das Wort "Kriminalität" denken.

Verantwortlich dafür waren die Kriminalberichte: Ging es um fremde Täter, war Herkunft das Merkmal schlechthin, und diese wurde systematisch hervorgehoben. Bei Tätern aus Österreich war die Herkunft dagegen irrelevant.

Mittlerweile gehen fast alle österreichischen Medien ähnlich vor – worin liegt die Problematik? Wenn vor allen anderen Merkmalen eines Individuums bevorzugt die fremde Herkunft herausgepickt wird, wird das "Merkmal Fremdheit" bedeutsam gemacht. Implizit wird die fremde Nationalität ein Teil der Erklärung, warum es zu dem Verbrechen gekommen ist. Entscheidend: Bei österreichischen Tätern wird anders vorgegangen. Durch diese Ungleichbehandlung entsteht der Eindruck, dass mehrheitlich Ausländer für die im Lande herrschende Kriminalität verantwortlich sind.

Wirklichkeit der Leserbriefe

Was diese Vorgehensweise bewirkt, konnte ich auf den Leserbriefseiten der Krone beobachten: In der "Wirklichkeit" der Leserbriefe leben "wir" in ständiger Bedrohung durch kriminelle Fremde. Verbrechen und Gewalt werden immer wieder in kausalen Zusammenhang mit fremder Herkunft gesetzt. Dass sich der Hass auf Ausländer sowie die Rechtfertigung für ebendiesen aus den Artikeln ein paar Seiten weiter vorne im Blatt speiste, war nicht von der Hand zu weisen. Die verzerrenden Kriminalberichte lieferten das Rohmaterial für die rassistischen Ausfälle in den Leserbriefen.

Der gleiche Effekt lässt sich heute mit einem Blick in die Online-Kommentare zu Kriminalberichten beobachten. Dort wird seit geraumer Zeit lautstark gegen Flüchtlinge gehetzt. Statt "refugees welcome" herrscht nun hasserfüllte Hysterie. Dieser Schwenk im öffentlichen Diskurs ist nicht davon zu trennen, dass in Kriminalberichten der Asylwerberstatus von Straftätern generell hervorgehoben wird:

Die Rede über Flüchtlinge, welche ohnehin schon von Flut-Metaphern geprägt ist, wird somit um den virulenten Diskurs der "Ausländerkriminalität" ergänzt.

Dabei eine Klarstellung: Natürlich gibt es Fälle, in denen die Herkunft der Täter oder ihr Aufenthaltsstatus eine Rolle spielen. Ein Beispiel wären die sexuellen Belästigungen in Köln: Dass die Täter geschlossen aus Nordafrika stammten, ist für die Schilderung der Vorkommnisse relevant.

Individuelle Geschichten

Doch in den allermeisten Fällen trägt der Hinweis auf die Herkunft zu keinem näheren Verständnis bei und hinterlässt mich ratlos. Denn eine Straftat erscheint für mich nicht in einem anderen Licht, weil der Täter Ausländer ist. Warum es zu Verbrechen kommt, ist stets eine individuelle Geschichte und hat viele Gründe. Klar ist für mich nur, dass ich von einem Individuum nicht auf dessen Landsleute schließen kann.

Wer den Diskurs über Ausländer und Flüchtlinge beobachtet, sieht jedoch, dass genau das passiert: Kriminalberichte schildern individuelle Fälle, in den dazugehörenden Foren geht's jedoch stets um die Minderheit, zu welcher der Täter gezählt wird. In diesem Diskurs hat die Gesellschaft nicht nur ein Problem mit dem straffälligen Individuum, "seine" Gruppe als solche wird zum Problem.

Mittlerweile hat sich dieser Diskurs verselbstständigt. Selbst bei Kriminalberichten, in denen keine Information über die Nationalität angeführt wird, finden sich Kommentare, welche ebendiese Information vehement einfordern. Der Vorwurf: Die fremde Herkunft wird verheimlicht!

Die Redeweisen, mit denen für das Anführen der "Fremdheit" von Straftätern eingetreten wird, sind dabei stets die gleichen: Tabus und Sprechverbote werden beklagt, die Wahrheit dürfe nicht verschwiegen werden. Dass da nicht viel mehr kommt, hat einen Grund. Denn zu Ende gedacht, sind diese Standpunkte zutiefst rassistisch: Wenn von all den Möglichkeiten, einen Menschen zu beschreiben, allein die Zugehörigkeit zu einer Minderheit fixer Bestandteil von Kriminalberichten zu sein hat, dann wird "Fremdheit" ursächlich für Kriminalität verantwortlich gemacht. Selbst Hans Rauscher schreibt bereits von "gewaltaffinen Ethnien" (der Standard, 6. 5. 2016).

In eine Schublade gesteckt

Für den Tathergang ist die fremde Herkunft eines Täters in der Regel irrelevant. Gleiches gilt für den Täter: Er wird nach den gleichen Gesetzen verurteilt wie ein Inländer. Diejenigen, die betroffen sind, sind all jene, die zur gleichen Gruppe gezählt werden. Ihnen gegenüber wird die Stimmung feindseliger, sie werden mit ihren kriminellen Landsleuten in eine Schublade gesteckt.

Bevor sie Copy-and-Paste-Journalismus betreiben und die Pressemitteilungen der Polizei einfach übernehmen, sollten JournalistInnen neben der Frage der Notwendigkeit eines bedenken: Der Hinweis auf fremde Herkunft ist keine harmlose Information. Er wird von einem großen Teil des Publikums höchst aufmerksam beachtet und dient als Brennstoff Nummer eins für die Hetze gegenüber Minderheiten. (René Rusch, 11.7.2016)