Innenminister Sobotka legt angesichts der vielen Asylwerber harte Reformpläne für die Mindestsicherung vor – doch Vizekanzler und ÖVP-Chef Mitterlehner will jetzt einmal die Expertise zu dem Konzept "abwarten".

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Nicht alle in der ÖVP können dem restriktiven Zugang zur Mindestsicherung etwas abgewinnen, wie sich Wolfgang Sobotka das vorstellt: Am Freitag wandte sich die Industriellenvereinigung (IV) gegen die Pläne des Innenministers und Chef des mächtigen niederösterreichischen ÖAAB, der neben dem von der gesamten Partei geforderten Deckel von 1500 Euro dafür plädiert hat, dass die Unterstützungsleistung erst gewährt werden solle, wenn die Betreffenden seit fünf Jahren einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich vorweisen können. Dazu will Sobotka, wie berichtet, eine Art Hartz IV-Modell, bei dem Bezieher verpflichtet werden, gemeinnützige Tätigkeiten für ein geringes Entgelt zu verrichten.

Christoph Neumayer, Generalsekretär der IV, lehnt "Ein-Euro-Jobs" für Mindestsicherungsbezieher nach deutschem Vorbild ab. Dazu kritisierte er am Freitag "die Entsolidarisierung" der Länder – all das erinnere an die EU-Staaten in der Flüchtlingskrise: "Das, was wir im Großen haben, haben wir im Kleinen auch vor uns." Statt über eine Deckelung würde Neumayer lieber über mehr Sachleistungen und bei Flüchtlingen über eine Koppelung an die Teilnahme an Deutschkursen diskutieren.

Sobotka legt trotz roter Kritik nach

Sobotka selbst legte am Freitag nach – er wolle die gesamte ÖVP von seinem Konzept überzeugen – über den Sommer werde man seine Vorschläge mit Expertisen nachschärfen, der Diskussionsprozess sei hiermit eröffnet. Es gehe um Gerechtigkeit. Denn es könne nicht sein, dass einige Bezieher, "den anderen die Nase drehen" und sich sagen, mit der Mindestsicherung "und ein bisschen pfuschen, das reicht für meinen Lebensunterhalt".

Bei der fünfjährigen Wartefrist habe man Anleihe am dänischen Modell genommen – und die Verschärfungen sollten nicht nur für Asylberechtigte, auch für Auslandsösterreicher, die heimkommen und von der Mindestsicherung leben wollen, gelten. Als Alternative kann sich Sobotka für Flüchtlinge künftig etwas Ähnliches wie die Grundversorgung vorstellen bzw. die Übernahme von Wohnkosten und anderen Sachleistungen.

Mitterlehner und Wöginger warten auf Präzision

August Wöginger, Chef des Bundes-ÖAAB und ÖVP-Sozialsprecher, findet Sobotkas Vorstöße im STANDARD-Gespräch "diskussionswürdig" – er betont aber, dass es für Menschen, die in den letzten fünf Jahren "nicht in Österreich gelebt haben, nicht gar nix" geben kann. Am 20. September stehe jedenfalls die Klubtagung der ÖVP an – und bis dahin würden die Vorschläge präzisiert.

ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hält zu Sobotkas Vorstoß auf STANDARD-Anfrage fest: "Wie von Wolfgang Sobotka angekündigt, warten wir jetzt einmal die Expertise zum Konzept ab. Die Grundposition der ÖVP bleibt aufrecht: Wir wollen eine Deckelung der Mindestsicherung und sehen sie nur als Überbrückungshilfe. Leistung muss sich lohnen."

Weil die entsprechende Vereinbarung mit den Ländern Ende 2016 ausläuft, muss bis dahin eine bundesweite Reform stehen. Bis dato stemmen sich allerdings Ober- und Niederösterreich dagegen. Sobotka gab sich davon überzeugt, dass sich die Koalition vor dieser Debatte nicht zu fürchten brauche. Am Freitag kritisierten die Wiener SPÖ und die Grünen seine "Querschüsse" – sie forderten die rasche Umsetzung der immerhin von den westlichen ÖVP-Ländern mitgetragenen Reformen. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch wiederum rechnete vor: Mit der Unterstützungsleistung "sichern wir für 250.000 Menschen die Existenz – über zwei Drittel davon sind Frauen und Kinder. Also was soll die ewige Kürzungsdebatte seitens der ÖVP?"(Nina Weißensteiner, 8.7.2016)