Katharina von Harsdorf, Clemens Aap Lindenberg und Wolfgang Lesky (v.li.) in "Literatur".

Foto: Barbara Palffy

Irene Halenka und Clemens Aap Lindenberg in "Halbzwei".

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Reichenau an der Rax – Viel wird in Reichenau zur Sommerszeit geklotzt – mit Namen, Autos, Preisen. In der Schlossgärtnerei Wartholz kleckert man: mit Miniaturen von Arthur Schnitzler, namentlich dem Doppel Literatur und Halbzwei.

Gegenstand des ersteren Kleckerns sind "kleine schmutzige Gedichte", die Margarete (Katharina von Harsdorf), ein Fräulein von Eigensinn und dank Heirat bald auch von Adel, in die Bredouille bringen. "Tote Gewissheit" trägt die Kunst ihr nämlich keine zu, sondern stattdessen der bald zu erscheinende Roman schüttelnde Unruhe.

Nicht nur muss sie ihrem Zukünftigen (Clemens Aap Lindenberg) für eine darin "stilisiert" dargereichte Liebelei ein Augzudrücken abringen. Der Gespiele von dazumal (Wolfgang Lesky) hat sich, von der Erotik entfacht, selbst vom Skizzenautor zum Romancier beflügeln lassen und denselben Stoff verarbeitet. Beide Werke zusammen: ein Skandal! Im stürmischen Schlagabtausch denunziert man nun einanders Herzblutverse. "Alles stellen wir aus, mir ekelt vor mir", entkommt es der Dichtenden gar einmal selbst. Das ist nichts weniger als eine Künstlersatire.

Künstlersatire als Nostalgie

Leicht und farbenprächtig, gleich einer Seifenblase, bricht sie ihr Motiv. Und lebt nur ebenso kurz. Wie gut, dass ein Atemzug dafür reicht, mehrere der schillernden Gebilde zu behauchen.

Deren zweites des 70-minütigen Abends heißt Halbzwei. Für ihn (wieder Lindenberg) ist's Schlafenszeit. Dass die "Kind" Genannte (Irene Halenka) das nicht verstehen und ihn nicht gehen lassen mag, ist Schnitzlers dramaturgischer Kniff und unser Vergnügen. Neckisch ist sie ihm nämlich weniger ergeben als eine Dompteuse. In Halenkas Augen blitzt der Schalk. Der weib-kindliche Reiz, die bevormundbare weil naive Unschuld sind ihr Hebel.

Helga Davids Inszenierungen lassen Schnitzlers Einakter Nostalgie atmen. Wohl funktionierte eine Aktualisierung des Materials gar nicht anders als abgründig: Denn die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern erscheint heute zuweilen wie psychische Gewalt. Also räkelt man sich stattdessen auf weißen Ledergarnituren (Bühne: Avni Kryeziu).

Dass Schnitzlers oft allgemein seismografische Gesellschaftsbetrachtungen dabei eher hinter eine Freude an der selbstläuferhaften Bühnenmechanik des Menschen als Liebestier zurücktreten, liegt an den Stoffen der beiden Einakter selbst. Feine Nerven unter Zeitkolorit und Theaterschminke. Eine zeitvergessene Freude. (Michael Wurmitzer, 8.7.2016)