Es ist also doch passiert. Deutschland ist bei der EM passé. Und Jogi Löw singt nach dem Ausscheiden ein altes Klagelied. Es soll nicht ohne Resonanz verklingen. "Die Belastung für die Spieler ist an der absoluten Grenze", sagte der deutsche Teamchef nach dem Match. "Sie sind dauernd unterwegs, in Hotels, im Flieger zum nächsten Match." Bei diesem Dauerdruck fehle seinen Spielern irgendwann einmal die mentale Frische, das ist Löw klar.

Die Grenze mit 70 Spielen pro Saison für viel nachgefragte Spieler ist in Wahrheit längst überschritten. Der Fußball spielt sich kaputt, weil Fifa und UEFA die Geldkuh melken, bis sie nichts mehr hergibt. Das ist nicht neu, und die Voraussetzungen gelten für alle antretenden Nationen wie auch für das gestern siegreiche Frankreich. Aber die Folgen sind bei der EM neuerlich sichtbar: müde Kicker, wenige Tore, ein teilweise schwaches Niveau und beispiellose Verteidigungsschlachten, durch die No-Names weit in die K.-o.-Phase gespült wurden.

Das DFB-Team wirkte ermattet, hatte verletzte Schlüsselspieler zu beklagen (Khedira, Gomez, Boateng spielte bereits das gesamte Turnier mit Schmerzen, etc.). In Vollbesetzung wäre das Spiel gegen Frankreich nicht verloren gegangen. Der Fußball, vor nicht allzu langer Zeit (auch) noch ein Sport für Künstler mit dem Hang zu aufreizender Lässigkeit und selbstverliebten Kabinettstückchen, ist längst zur 90-minütigen Vollgasveranstaltung geworden. Zeit schinden auf dem Rasen bei jeder Gelegenheit? Ja. Um Kräfte zu schonen. Ergebnisse verwalten? Nein. Funktioniert nicht mehr wie früher. Wer querspielt, verliert.

"Wir killen die Spieler", sagte Pep Guardiola vor zwei Jahren. Sämtliche Top-Trainer stimmen ihm zu. Gewarnt wird schon länger. Aber es ändert sich einfach nichts.

Was 1955 mit 16 teilnehmenden Mannschaften als Europapokal der Landesmeister begann, ist heute die Champions League mit drei Qualifikationsrunden, Play-off-Spielen und anschließend immer noch 32 Teams in der Gruppenphase. Die Europa League umfasst gar zwölf Vierergruppen. Wer eine erfolgreiche Champions-League-Qualifikation spielt und als Tabellendritter ins Sechzehntelfinale der Europa League einzieht, würde in einem möglichen Finale seine 23. Partie absolvieren. Hinzu kommen Liga- und Pokalpartien, Supercups und Länderspiele. Wobei Letztere entgegen großer Kritik der Vereine das Kraut gar nicht fett machen. Das sind ein Dutzend pro Jahr, nicht mehr als früher. Ohne Großereignisse wohlgemerkt.

Die EM wurde bereits aufgeblasen mit 24 Teilnehmern, als Nächstes wird der Overkill bei der WM mit 40 Teams folgen. Die Reaktionen der Klubs sind gesellschaftlich erwartbar: Investitionen in mehr Quantität (mehr Kicker), Verzicht auf Qualität.

"Die Liebe stirbt niemals an Hunger, wohl aber an Übersättigung." Ähnliches droht dem Fußball. (Florian Vetter, 8.7.2016)