London – Der britische Schatzkanzler George Osborne plant nach dem Brexit-Votum einem Medienbericht zufolge eine deutliche Senkung der Körperschaftssteuer. Damit wolle er die negativen Folgen für Großbritannien im Zuge des EU-Austritts begrenzen, berichtet die "Financial Times" am Sonntag. Vorgesehen sei ein Steuersatz von weniger als 15 Prozent. Derzeit beträgt die Körperschaftssteuer 20 Prozent.

Im März hatte Osborne eine Absenkung auf 17 Prozent bis 2020 in Aussicht gestellt. Mit dem Schritt wolle Osborne eine "superwettbewerbsfähige Volkswirtschaft" mit niedrigen Unternehmenssteuern und einer globalen Ausrichtung schaffen.

In anderen OECD-Ländern beträgt die Steuer im Durchschnitt rund 25 Prozent. Eine niedrigere Besteuerung in Großbritannien dürfte deshalb andere EU-Länder verärgern. Ein Datum für die Maßnahme nannte Osborne dem Blatt zufolge zunächst nicht. Zudem wolle der Schatzkanzler die Beziehungen zu China stärken. Beim Referendum am 23. Juni hatten 52 Prozent der Briten für den EU-Ausstieg votiert.

Prognos: Brexit dämpft britische Wirtschaft bis 2025 um 15 Prozent

Nach Einschätzung des Prognos-Instituts würde ein Brexit einen massiven Schrumpfkurs der dortigen Wirtschaft auslösen. Zwar seien die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der Brexit-Entscheidung gegenwärtig noch sehr unsicher. In einem "plausiblen Szenario", das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, rechnet Prognos aber damit, dass die britische Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 rund 15 Prozent niedriger liegen würde als ohne Austritt aus der EU.

Im Einzelnen geht das Institut unter anderem davon aus, dass bereits bis Ende 2016 die Unternehmensinvestitionen um zehn Prozent einbrechen werden. Ab 2018 würden zudem Handelserleichterungen für Großbritannien gegenüber EU-Ländern und Drittstaaten wegfallen. "Neue Handelsabkommen werden zu ungünstigeren Konditionen ausgehandelt werden müssen." Ferner werte das britische Pfund ab, sodass Importpreise steigen, was wiederum die Inflation antreibe.

EU sieht Chance für mehr Härte gegen Briefkastenfirmen

Nach dem Brexit-Votum unternimmt die EU-Kommission derweil einen neuen Anlauf zur Verschärfung der Gesetze gegen Steuerhinterziehung mittels Briefkastenfirmen. Die Exekutive der EU will am Dienstag ihre Vorschläge präsentieren, wie die wahren Eigentümer von Tarnfirmen im Ausland transparenter gemacht werden könnten.

Der Vorstoß könnte der erste sein, bei dem die auf der Bremse stehenden Briten kein gewichtiges Wort mehr mitreden, nachdem sie mehrheitlich für einen EU-Austritt gestimmt haben.

Wegen des britischen Widerstands gegen die schärferen Regelungen hatte die EU-Kommission zunächst den Ausgang des Referendums abgewartet. Die Briten sitzen zwar auch nach dem Brexit-Votum mit am Verhandlungstisch, haben aber deutlich an Einfluss verloren. (APA, Reuters, 4.7.2016)