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Regionales Jugendwerk: Ab 2017 werden Projekte zum Jugendaustausch in Südosteuropa jährlich mit zwei Millionen Euro gefördert.

Foto: AP/Emric

Es begann ambitioniert. Nach dem ersten Balkangipfel 2014 in Berlin lancierte man die deutsch-britische Initiative für Bosnien-Herzegowina, um Reformen anzustoßen. Zwei Balkangipfel später ist London als EU-Partner weggebrochen und die Initiative für Bosnien versandet. Auch bei den geplanten Infrastrukturprojekten – Straßen und Energiewege – ging kaum etwas weiter. Das Narrativ, wonach irgendwann alle europäischen Staaten der EU beitreten werden, ist durch den Brexit endgültig ins Wanken geraten. Der Einfluss der EU auf dem Balkan wird durch Russland und die Türkei mit ihren autoritären Führungsmodellen herausgefordert.

Wenn am Montag, die Regierungschefs und Außenminister von Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Albanien, Kosovo und Serbien auf Einladung von François Hollande mit Regierungsvertretern von Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich und Slowenien zusammentreffen, wird keine große Dynamik für die Region erwartet. Im Vorjahr in Wien unterschrieben die Balkan-Sechs eine Willenserklärung, sich wechselseitig bei der EU-Integration nicht zu blockieren. Allerdings bleiben viele bilaterale Konflikte – meist geht es um Grenzfragen – ungelöst. Immerhin haben kürzlich die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic und der serbische Premier Aleksandar Vucic vereinbart, offene Fragen im Sinne einer guten Nachbarschaft zu klären. Kroatien hatte zuletzt die EU-Verhandlungen mit Serbien blockiert.

Regionaler Jugendaustausch

Die größte Errungenschaft der Treffen der Balkan-Premiers ist bisher der regionale Jugendaustausch, der am Montag mit Unterschrift besiegelt werden soll. Als Vorbild dient das deutsch-französische Jugendwerk, das die Verständigung zwischen den beiden Gesellschaften auf historische Weise prägte. Ryco – so der Name der Initiative – soll ab 2017 Jugendliche aus sechs Staaten zusammenbringen, um demokratische Werte und gesellschaftspolitische Versöhnungsprozesse zu unterstützen.

Viele Jugendliche auf dem Balkan waren nicht einmal im Nachbarland. Diese Nachkriegsgeneration pflegt oft noch stärkere Vorurteile gegenüber den anderen Volksgruppen oder Religionen als die Elterngeneration, die noch im ehemaligen Jugoslawien aufwuchs. Die Region hat durch die Kriege und die danach folgende instabile politische Situation ohnehin ein Jahrzehnt verloren.

Überall fehlen Strukturreformen, um Investitionen zu ermöglichen und die Verwaltungen effizienter zu machen. Solange es kaum Produktion gibt, werden die Menschen weiter Richtung Deutschland ziehen. Im Kosovo ist ein Viertel der Haushalte von den Überweisungen der Diaspora abhängig. Man könnte nun in der EU zumindest beginnen, mehr saisonale Arbeit für Bürger der Balkanstaaten zu ermöglichen und den Zugang zu europäischen Bildungseinrichtungen erleichtern.

Konvergenzprojekt scheitert

Noch bis 2007 näherte sich das Durchschnittseinkommen in der Region von 23 Prozent des EU-Niveaus auf immerhin 31 Prozent an. Seit der Krise ab 2008 ist aber die sozioökonomische Angleichung fast zum Erliegen gekommen. "Das europäische Konvergenzprojekt greift nicht", analysiert der Südosteuropa-Experte Tobias Flessenkemper. "Die Balkan-Treffen gehen torlos in die zweite Halbzeit", meint er nüchtern. Der Gipfel im nächsten Jahr, wenn Italien Gastgeber sein wird, wird der letzte seiner Art sein.

Dennoch ergibt es für die EU Sinn, die Region nicht einfach aufzugeben. Je undemokratischer die Nachbarn, desto schwieriger die Zusammenarbeit. Und gerade bei der Schließung der Balkanroute hat sich gezeigt, dass die EU auf die Kooperation angewiesen ist. (Adelheid Wölfl, 4.7.2016)