Polizei und Rettung am Tatort.

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Auch ein Polizeipanzer war im Einsatz.

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Wien – Der Supermarkt in Wien-Penzing, in dem es am Samstagabend nach einem gescheiterten Raubüberfall zu einer Schießerei zwischen dem Täter und der Polizei gekommen war, ist am Montag geschlossen geblieben. "Wegen Überfall!", wie es in einem großformatigen handgeschriebenen Zettel an der Eingangstür hieß.

Der Räuber – ein 49 Jahre alter, in Wien gemeldeter Bosnier – hatte kaltblütig auf Polizeibeamte geschossen, als diese an der Hintertür der Billa-Filiale auf der Hütteldorfer Straße 146 klopften, in der zuvor der Täter drei Angestellte gefesselt hatte.

Ein 23 Jahre alter, erst vor wenigen Wochen in den Exekutivdienst übernommener Beamter wurde am Kopf getroffen, ein 25-jähriger Polizeischüler im Bauch- und Oberschenkelbereich. Die WEGA (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) spürte den Räuber auf, der sich in dem Gebäudekomplex verschanzt hatte. Der Mann eröffnete ein zweites Mal das Feuer, worauf er von der Sondereinheit erschossen wurde.

Der 23-jährige Polizist – ein gebürtiger Kärntner – befand sich am Montag weiter in akuter Lebensgefahr, hieß es auf Anfrage bei der Landespolizeidirektion. Er wurde nach Kärnten verlegt, bestätigte Polizeisprecher Christoph Pölzl. Der Transport per Hubschrauber sei auf Wunsch der Familie erfolgt.

Dem ebenfalls schwer verletzten Polizeischüler, der bereits am Sonntag ansprechbar war, ging es besser. Er musste aber weiter in stationärer Behandlung bleiben.

Blumen und Kerzen abgelegt

Anrainer hatten am Montag vor dem Geschäftsportal Blumen und Kerzen abgelegt, um auf diese Weise am Schicksal der Polizisten Anteil zu nehmen. "Warum?", hieß es auf einer offenbar von Kinderhand mit einer Blume und Herzen bemalten Karte.

Neue Erkenntnisse zum Täter, der möglicherweise in jüngerer Vergangenheit ähnliche Supermarkt-Überfälle begangen hat, lagen vorerst nicht vor. Unklar war auch, wie viele Schüsse insgesamt abgegeben und von wie vielen Projektilen der 49-Jährige getroffen wurde. Das Obduktionsergebnis stand laut Polizeisprecher Paul Eidenberger noch aus.

In Geschäft einsperren lassen

Der Bosnier, der in Wien-Innere Stadt gemeldet gewesen ist, hatte sich dem vorläufigen Ermittlungsstand nach zunächst in dem Geschäft einsperren lassen. Nach Dienstschluss überfiel er dann die drei Angestellten, zwei Frauen und einen 18-Jährigen, im Büro des Supermarktes, um die Tageslosung zu rauben.

Supermarkt-Mitarbeiter gefesselt

Der Täter hielt ihnen eine Pistole vor und forderte die Öffnung des Tresors, darüber hinaus begann er, seine Opfer mit Kabelbinder zu fesseln. Dem jungen Mitarbeiter sei es dennoch gelungen, den stillen Alarm auszulösen, der um 18.10 Uhr bei der Polizei einging, wie Paul Eidenberger, Sprecher der Wiener Polizei, berichtet.

Mehrere Funkstreifen reagierten, die erste Streifenwagenbesatzung, die eintraf, war aus der relativ weit entfernten Polizeiinspektion Storchengasse. Sie versuchten es am Hintereingang, der Täter reagierte abgebrüht: Er schickte eine seiner Geiseln vor, die den Beamten sagen sollte, es habe sich um einen Fehlalarm gehandelt.

Die mittlerweile drei Beamten misstrauten dem, sie forderten die Frau auf, aus dem Geschäft zu kommen. Diesen Moment nutzte der Räuber, um das Feuer auf die Polizisten zu eröffnen.

Polizist erlitt Kopfschuss

Ein junger, noch in Ausbildung befindlicher aus Kärnten stammender Polizist wurde von einem Kopfschuss getroffen und lebensgefährlich verletzt. Sein Kollege erlitt zwei Treffer im Bauch und Oberschenkelbereich. Eine Beamtin zog sich bei einem Sturz leichte Verletzungen zu.

Zumindest ein Schuss der Polizisten traf aber auch den Täter, der daraufhin über das Stiegenhaus in den zweiten Stock des Wohngebäudes flüchtete. Dort brach er in eine leere Wohnung ein, wo er aus dem Fenster auf ein Vordach im Innenhof sprang.

Damit war seine Flucht aber zu Ende: Er zog sich eine Verletzung zu, die ihn zwang, hinter einer Mauer Schutz zu suchen. In der Zwischenzeit war bereits Großalarm ausgelöst worden: Hubschrauber, ein gepanzertes Fahrzeug und dutzende Mannschaftswagen waren am Tatort eingetroffen, das Gebiet wurde großräumig abgesperrt.

Hubschrauberbesatzung entdeckte Täter

Auch die Sondereinheit Wega war vor Ort und wurde von der Hubschrauberbesatzung zum Versteck des Täters gelotst. Aufgeben wollte der nicht, im Gegenteil, er gab neuerlich Schüsse ab. Die Wega erwiderte das Feuer und traf den 49-Jährigen tödlich.

Über den Täter gibt es vorerst wenig Informationen. Es bestehe aber der Verdacht, dass er für mehrere Überfälle in Frage kommt. "Es hat in den vergangenen Monaten eine handvoll Vorfälle gegeben, bei denen ein ähnlicher Modus Operandi angewendet worden ist", sagt der Sprecher.

Vier Überfälle in vergangenen Monaten

Öffentlich gemacht hat die Exekutive seit vergangenen Oktober vier Stück, alle haben sich in Wien-Penzing in räumlicher Nähe zum nunmehrigen Tatort ereignet. In einem Fall waren zwei maskierte Männer beteiligt, ob es einen Zusammenhang gibt, ist noch unklar. Auffallend am aktuellen Fall ist auch, dass die Pistole mit einem Schalldämpfer ausgestattet gewesen ist – ein in Österreich für Privatpersonen illegaler Artikel.

Bei der Exekutive herrschte tiefe Betroffenheit über den schwersten Zwischenfall mit verletzten Polizisten seit dem Amoklauf des Wilderers von Annaberg im Sommer 2013. Bereits in der Nacht auf Sonntag änderten zahlreiche Beamte ihre Profilbilder auf Facebook in schwarze Schleifen.

Auch mehrere Medien berichteten bereits vom Tod des Beamten, tatsächlich befand er sich zu diesem Zeitpunkt noch in äußerst kritischem Zustand im Allgemeinen Krankenhaus. Die Lage wurde als akut lebensgefährlich bezeichnet, die Aussichten waren düster.

Bestürzung auch bei Politikern

Auf offizieller Seite herrschte Bestürzung: Sowohl Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) als auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), sprachen ihr Mitgefühl für die Verletzten und ihre Angehörigen aus.

Schusssichere Ausrüstung für Polizei

Als "tragische und unglückliche Amtshandlung" qualifiziert Harald Segall, SPÖ-Gewerkschafter und Vorsitzender der Personalvertretung der Wiener Polizei, die Schießerei. Das kaltblütige Vorgehen des Täters unterstreiche die Notwendigkeit einer schusssicheren Ausrüstung für die Exekutive. Segall zeigte sich am Montag erfreut, dass die Gewerkschaft mit ihrem Verlangen nach schusssicheren Westen für jeden Polizisten Gehör gefunden hat: "Diese Forderung wird bundesweit umgesetzt."

Darüber hinaus möchte Segall, dass zukünftig jeder Streifenwagen mit ballistischen Helmen ausgestattet wird, auf die von Polizeibeamten bei einer entsprechenden Gefahrenlage zugegriffen werden kann. Das sei – losgelöst vom Überfall vom vergangenen Samstag – in Zeiten von terroristischer Bedrohung "dringend geboten". (Michael Möseneder, APA, 4.7.2016)