Mit Mindestsicherung können sich auch Flüchtlingsfamilien billige Wohnungen leisten. In Bundesländern, wo ihnen diese Leistung gestrichen oder verringert wird, müssen sie wieder ausziehen.

foto: robert newald

Neunkirchen / St. Pölten / Wien – Im heurigen Februar bezogen die Mohammadis – ein afghanisches Ehepaar mit zwei kleinen Kindern – ihre Wohnung im niederösterreichischen Neunkirchen: die erste eigene Bleibe nach der Flucht für die Familie, die seit vergangenem Dezember subsidiär schutzberechtigt (also wegen Gefahr für Leib und Leben nicht abschiebbar) ist.

Die Fixkosten – 500 Euro Miete sowie rund ein Hunderter Strom- und Gaskosten pro Monat – konnte die Familie stemmen: 1630 Euro betrug die auf die Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung aufgefettete Grundversorgungsleistung, die ihnen im Jänner per Bescheid ab Februar zugesprochen worden war.

Beschluss am 18. Februar

Doch die Gesetzeslage änderte sich. Am 18. Februar beschloss der niederösterreichische Landtag mit den Stimmen der ÖVP und des Team Stronach, subsidiär Schutzberechtigte – im März lebten deren in Niederösterreich 579 – von der bedarfsorientierten Mindestsicherung auszuschließen. Künftig sollten sie nur noch Grundversorgung erhalten. So, wie sie Asylwerbern zukommt.

Die umstrittene Regelung trat im April in Kraft – und zeitigte für die Familie in Neunkirchen sofort katastrophale Folgen. "Wir haben ab April nur noch 820 Euro bekommen", schildert Atefeh Mohammadi, die Ehefrau.

Grund dafür: Die zuständige Bezirkshauptmannschaft hatte den Mindestsicherungsbezug der Familie von vornherein auf drei Monate beschränkt – obwohl dieser Bezug in Niederösterreich in der Regel für sechs Monate gewährt wurde.

Wohnung plötzlich zu teuer

Damit, so die 27-jährige Mohammadi, sei die neue Wohnung von einem Tag auf den anderen nicht mehr leistbar geworden. Denn rechne man von den 820 Euro die 600 Euro Wohnkosten sowie 30 Euro Internetgebühr ab, so blieben für Essen und sonstige Ausgaben nur 190 Euro. Für zwei Erwachsene und zwei Kinder.

"Es führt nichts daran vorbei: Die Familie muss aus der Wohnung wieder ausziehen. Doch das geht nicht so einfach: Ein Dreijahresmietvertrag, wie die Familie ihn hat, geht mit einer einjährigen Behaltefrist einher" , schildert Birgit Haidenwolf, Teamleiterin der Asylberatung bei der Caritas in Wiener Neustadt.

Übersiedlung nach Wien wider Willen

Auch – so Haidenwolf – sei ungewiss, wo die Mohammadis künftig unterkommen könnten. Wahrscheinlich würden sie nach Wien übersiedeln müssen, wo subsidiär Schutzberechtigte nach wie vor mindestsicherungsberechtigt sind. Dabei wollten sie das nicht: Der sechsjährige Sohn habe in Neunkirchen einen Kindergartenplatz – und seine Eltern dort ihre Deutschkurse.

Laut der Caritas-Teamleiterin ist der Fall Mohammadi nur der Anfang. In den kommenden Monaten erwartet sie "viele ähnlich gelagerte Probleme". Da in Niederösterreich immer mehr Sechsmonatsbefristungen bei der Mindestsicherung auslaufen würden, würden immer mehr subsidiär Schutzberechtigte in akute Armut gestoßen.

Wien will das "nicht demutsvoll hinnehmen"

Neu hinzukommenden subsidiär Schutzberechtigten wiederum werde verunmöglicht, aus den Grundversorgungsquartieren auszuziehen, sagt Klaus Schwertner, Generalsekretär der Wiener Caritas. Nicht nur in Niederösterreich, auch im Burgenland und zum Teil in Kärnten. Sowie in Oberösterreich, wo der Mindestsicherungsbezug von subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten kürzlich gleichermaßen reduziert wurde.

"Da ist ein Negativwettbewerb der Bundesländer im Gang", sagt Schwertner. Und Peter Hacker, Geschäftsführer des Fonds Soziales Wien, kündigt Gegenwehr wegen der zu erwartenden Übersiedlungen an: "Wir werden das nicht demutsvoll hinnehmen." (Irene Brickner, 2.7.2016)