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Die Fächer beim Traditionalisten Forondo y Balbuenain Sevilla sind so vielfältig, wie die Botschaften, die man damit aussenden kann.

Foto: picturedesk / laif / Huber

Sevilla im Hochsommer. Es ist heiß. 42 Grad im Schatten, das ist normal. Die Luft in der Altstadt zwischen Real Alcázar und Kathedrale Santa María de la Sede steht. Da mag sich auch der Mensch nicht mehr rühren. Eine kleine erschöpfte Handbewegung vielleicht: der Griff zum Fächer. So wie es die Sevillanerinnen tun, um sich ein frisches Lüftchen zuzufächeln. Der Abanico, wie sie ihn nennen, ist Lösung und Erlösung zugleich.

Andalusierinnen sind Fachfrauen in Sachen Fächer. Kaum eine verlässt bei solcher Glut das kühle Haus ohne den handlichen Wedel. Die transportable, ökologische und elegante Klimaanlage passt in jede Handtasche, im Zweifel ins Dekolleté. Auch die Touristin aus Mitteleuropa erkennt sofort, dass der Abanico in Zeiten des Klimawandels das ideale Accessoire ist.

In den Einkaufsstraßen im Umfeld der Calle Sierpes sind mehrere Fächergeschäfte angesiedelt. Auch der Spezialist Forondo y Balbuena. "Jede Frau, jede Nationalität hat ihren eigenen Stil", sagt Josefa Mulero, die hier seit Jahren Abanicos in mehr als hundert Varianten und Preislagen von drei bis 3000 Euro verkauft.

Birnenholz und Baumwolle

"Österreicherinnen bevorzugen schlichte Fächer", sagt die Expertin. US-Bürgerinnen fliegen eher auf die knallbunten, blumigen Modelle. Billige Fächer sind aus Kunststoff und Papier, meist aus Asien importiert. Gute sind aus Birnenholz und Baumwolle, die Kostbaren handgemacht aus Horn, Knochen oder Perlmutt, Seide oder Spitze. Sie sind geschnitzt oder durchbrochen, bemalt oder vergoldet. Das Fächerblatt kann bebildert, floral oder einfarbig sein. Eine Sevillanerin hat stets mehrere Exemplare – passend zum Outfit und für jede Lebenslage.

"Der Fächer ist auch für lautlose Botschaften gut", sagt Mulero geheimnisvoll. Diese Art der nonverbalen Kommunikation hält sie sogar für die anmutigste, galanteste Sprache der Welt. Nur, dass sie heute nicht mehr gesprochen werde. Auf den Schachteln, in denen Forondo y Balbuena seine Objekte verkauft, sind einige der Ausdrücke abgebildet, von denen einmal an die hundert verschiedene in Gebrauch waren.

Kollegin Lola González übernimmt die Einweisung. Sie entfaltet ein Exemplar mit der rechten Hand und verbirgt das Kinn hinterm geöffneten Fächer. Das heißt: Folge mir. "Die rechte Hand ist zusagend, die linke abweisend", erklärt González.

Nun legt die Sevillanerin den geschlossenen Abanico mit der rechten Hand auf die linke Brust. Das soll den Kavalier ermutigen und heißt: Du hast mein Herz erobert. "Aber Vorsicht", sagt Lola. "Machst du es umgekehrt, stürzt du den Verehrer in eine Krise." Natürlich spielt die Mimik eine Rolle. Düstere Wolken ziehen über González' Gesicht, sie tippt den geschlossenen Fächer mit der linken Hand auf die rechte Brust – das bedeutet: Lass mich in Ruhe.

Schnell wedeln, sacht Flügel schlagen

Die nächste Geste ist der Auftakt zum Flirt. Die Fächerfachfrau öffnet den Abanico und berührt mit ihm die linke Wange: Du gefällst mir, heißt das. "Fühlst du dich belästigt" – sie hebt zur nächsten Lektion an – "deutest du mit schnellem Wedeln des offenen Fächers an, dass es keinen Sinn hat, dass du vergeben bist."

Hat die Dame ein Subjekt der Begierde entdeckt, legt sie den Fächer in die rechte Hand, sachtes Flügelschlagen, wobei sie kokett über den geöffneten Fächerbogen blinzelt. Die Botschaft lautet: Du interessierst mich.

"Fächer waren kein Privileg der Weiblichkeit", betont Inhaber Miguel Alonso. Im Barock und Rokoko trug der Mann in Europa ganz selbstverständlich Fächer – bis er beim männlichen Geschlecht aus der Mode kam. "Nur in Spanien nicht", sagt Alonso, "wegen der Hitze." Der männliche Wedel ist kleiner und korrespondiert farblich mit dem Hemd, in dessen Brusttasche er deponiert wird, wenn man ihn nicht braucht.

Fächer als Hoheitssymbol

Letizia López-Salazar kann man nichts vormachen. Von Fächern versteht sie etwas. Die Designerin hat Fächer an der Kunsthochschule in Cádiz studiert. "Als Geheimcode für unter Überwachung von Gouvernanten und Müttern stehender Jugendlicher hat er ausgedient", sagt sie in ihrem Atelier. Die Tabus fielen Anfang des 20. Jahrhunderts.

Die frühesten Überlieferungen stammen aus dem alten Ägypten und China, wo vor etwa 5000 Jahren Pharaonen, Maharadschas und Mandarine sich von ihren Dienern mit großen Wedeln aus Straußenfedern oder Palmblättern frische Luft zufächeln ließen – der Fächer als Hoheitssymbol. "Der eigene Arbeitseinsatz kam erst mit den Handfächern", weiß López-Salazar.

Vermutlich brachten sie portugiesische Seefahrer im 16. Jahrhundert aus Asien nach Europa. Im riesigen Reich des Habsburgers Kaiser Karl V. galt der Fächer schnell als das Must-have einer Dame. Bald besaß jede einen – von der Königin bis zur Küchenmagd.

Lebenswichtig wurde er, als ab 1600 das Korsett die Modelinie der spanischen Hoftracht zu beherrschen begann. Da man den Damen den Atem regelrecht abschnürte, war die Aircondition aus Asien im Kampf gegen die Ohnmacht praktisch ständig im Einsatz.

Mit einem neuen Fächer in der Tasche, geht die stolze Besitzerin in der Altstadt wieder ihren Erkundungen nach. Sie steuert die Kathedrale Santa María de la Sede an, wo sie sich in die endlose Warteschlange einfädelt. Nach einer Weile bemerkt sie ein paar Meter vor ihr den gut aussehenden Herrn und dessen aufmerksame Blicke. Ein Spanier? Ob er wohl die Fächersprache versteht? Erneut registriert sie seinen Blick. Sie fasst sich ein Herz, zückt den Abanico und wedelt mit der rechten Hand dezent vorm Kinn. Das war doch die Botschaft: Du interessierst mich, oder nicht?

Langsam saugt das Portal die Menschenmenge an, schon ist der gute Mann im Labyrinth der fünf Kirchenschiffe, Kapellen und Säulen verschwunden. Na ja – immerhin den Klimawandel verlangsamt. (Beate Schümann, 2.7.2016)