New York/Washington – Das Nahost-Quartett fordert Israel mit Nachdruck auf, den Bau von Siedlungen in den Palästinenser-Gebieten zu beenden. Die israelische Politik untergrabe beständig die Umsetzbarkeit der Zwei-Staaten-Lösung, hieß es in einem Bericht des Quartetts, der vermutlich noch am Freitag veröffentlicht werden sollte. Auch die von Palästinensern ausgehende Gewalt wird darin kritisiert.

Der Nachrichtenagentur Reuters lag der Bericht als Entwurf vor. Die Siedlungspolitik sowie die Gewalt auf palästinensischer Seite und die fehlende Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde über den Gazastreifen seien die drei "negativen Entwicklungen", die im Interesse des Friedens "dringend" beendet werden müssten, sagte der UN-Sondergesandte Nickolay Mladenov am Donnerstag in New York.

Israel hat den Aufruf zur Beendigung des Siedlungsbaus im Westjordanland zurückgewiesen. "Als Israel den Siedlungsbau gestoppt hat, hat es keinen Frieden bekommen", teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitag mit. "Als Israel jede Siedlung in Gaza entwurzelt hat, hat es keinen Frieden bekommen. Es bekam Krieg."

Gewalt auf Seiten der Palästinenser verurteilt

Das Quartett verurteilt in seinem mit Spannung erwarteten Bericht "die Gewalt, den Terrorismus und den Aufruf zur Gewalt" aufseiten der Palästinenser, die "Fortsetzung der Siedlungspolitik" Israels im Westjordanland sowie "die Lage in Gaza und die fehlende Kontrolle der Autonomiebehörde über den Gazastreifen", der von der radikalislamischen Hamas kontrolliert wird. Die negativen Entwicklungen "können und müssen dringend gestoppt werden", weil sie "die Chancen auf Frieden ernsthaft untergraben", sagte Mladenov vor dem UN-Sicherheitsrat.

Der Sicherheitsrat sollte anschließend hinter verschlossenen Türen über den Bericht beraten. Der vollständige Bericht soll voraussichtlich am Freitag veröffentlicht werden – nach monatelangen Verzögerungen vor allem wegen des heiklen Themas der Siedlungspolitik, wie Diplomaten am Sitz der Vereinten Nationen sagten.

Wiederbelebung des Friedensprozesses

Die Ergebnisse und Empfehlungen des Berichts sollen Grundlage für eine Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung sein. Der Friedensprozess kam zum Stillstand, als im April 2014 eine US-Friedensinitiative scheiterte. Dem Nahost-Quartett gehören die UNO, die EU, die USA und Russland an.

Der UN-Sicherheitsrat solle die Empfehlungen des Berichts unterstützen, forderte der UN-Gesandte. Dadurch könne das Dokument zu einem international akzeptierten Fahrplan für einen israelisch-palästinensischen Frieden werden.

Der französische UN-Botschafter Francois Delattre sagte, der Bericht könne auch die französischen Pläne für eine Pariser Nahost-Friedenskonferenz vorantreiben. Frankreich hatte Anfang des Jahres eine Initiative für eine Friedenslösung gestartet. Eine für Ende Mai geplante Friedenskonferenz in Paris wurde allerdings auf den Sommer verschoben.

Toter Israeli bei Beschuss

Überschattet wird die Veröffentlichung von einem gewalttätigem Vorfall: Ein Israeli ist getötet worden, drei weitere wurden verletzt, als ihr Fahrzeug am Freitag nach einem Beschuss nahe Hebron im Westjordanland verunglückte. Wie die Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf die Armee weiter berichtete, stammte der Palästinenser, der die Schüsse abgab, aus dem selben Dorf wie der Jugendliche, der am Donnerstag ein 13 Jahre altes jüdisches Mädchen erstochen hatte.

Nach dem Schützen wurde eine Fahndung eingeleitet. Augenzeugenberichten zufolge überschlug sich das Auto etwa 15 Kilometer südlich von Kiryat Arba. Die Rettungskräfte fanden vier Personen in dem Fahrzeug, von denen einer nur noch tot geborgen werden konnte.

Angriff im Westjordanland

Bei einem Angriff auf israelische Sicherheitskräfte im besetzten Westjordanland wurde am Freitag eine Palästinenserin getötet. Die Frau sei erschossen worden, als sie versuchte, am Grab der Patriarchen in Hebron mit einem Messer auf Beamte der Grenzpolizei einzustechen, teilte die israelische Polizei mit. Die Polizisten blieben unverletzt.

Israel und die Palästinensergebiete werden seit Oktober von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der bisher 213 Palästinenser, 33 Israelis und vier Ausländer getötet wurden. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die zumeist Messer, teils aber auch Schusswaffen oder Autos für ihre Angriffe nutzten. (APA, 1.7.2016)