Rettungsaktion vor der libyschen Küste.

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Es begann vor einer Woche: Vergangenen Donnerstag sind laut italienischer Küstenwache bei 43 Rettungsaktionen insgesamt 5000 Flüchtlinge von ihren kaum seetüchtigen Booten geholt und in Italien an Land gebracht worden. In den folgenden drei Tagen kamen weitere 8000 Flüchtlinge an. "Aus Libyen gelangen derzeit 13- bis 14-mal mehr Flüchtlinge nach Italien als Migranten aus der Türkei nach Griechenland", erklärte der Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, am Dienstag. Nach Schließung der Balkanroute steigt laut Leggeri auch die Zahl jener, die von Ägypten aus die Überfahrt nach Europa wagen. Ägypten entwickle sich zu einem "neuen Hotspot", sagte der Frontex-Chef. Und: "Die Überfahrt von Ägypten ist hochgefährlich, die Fahrt dauert oft länger als zehn Tage."

Die Flüchtlingsbewegung ist für die italienischen Behörden alles andere als ein neues Problem: Die Zahl der seit Anfang des Jahres in Italien angekommenen Flüchtlinge – rund 65.000 Personen – entspricht ungefähr den Zahlen der beiden Vorjahre. Der für Italien sehr wesentliche Unterschied besteht darin, dass die nördlichen Nachbarländer ihre Grenzen mehr oder weniger dichtgemacht haben.

Leere Versprechen

Die vor über einem Jahr gemachte Zusicherung der EU-Partner, von Italien und Griechenland innerhalb von zwei Jahren insgesamt 160.000 Flüchtlinge zu übernehmen, hat sich als leeres Versprechen entpuppt. Rom fühlt sich von Brüssel einmal mehr alleingelassen. Zwar haben die italienischen Aufnahmestrukturen, in denen derzeit 126.000 Flüchtlinge versorgt werden, dem Andrang bisher standgehalten. Das kann sich aber schnell ändern, wenn die Zahlen weiterhin so hoch bleiben.

Der im Innenministerium für die Immigration zuständige Präfekt Mario Morcone sucht verzweifelt Lösungen, um den Zusammenbruch des Aufnahmesystems zu verhindern. Er verhandelt mit den Regionen und den Kommunen über die Bereitstellung neuer Unterkünfte. Zwangsmaßnahmen wie die staatliche Requirierung kommunaler Liegenschaften sind bisher nicht ergriffen worden, werden aber vom Innenministerium nicht mehr ausgeschlossen. Vor allem im Süden und in der Lombardei, wo sich die meisten Flüchtlinge befinden, ist die Lage inzwischen prekär. "Uns steht das Wasser bis zum Hals, wir haben keinen Platz mehr", erklärte Giorgio Zanzi, der Präfekt der lombardischen Provinz Varese. (Dominik Straub aus Rom, 29.6.2016)