Als die Wiener Akademie noch die "k. k. Hofakademie" war, war der Franzose Jacques van Schuppen (1670-1751) ihr Direktor. Sein wunderbarer "Kauernder Satyr" (um 1730/1740) in schwarzer und weißer Kreide diente im Unterricht als Vorlage.

Foto: Kupferstichkabinett

Wien – Die Ohren angriffslustig gespitzt und die lange Zunge hinausgestreckt, scheint das dämonenhafte Tier sich herabzustürzen zu wollen von seinem hohen Nest auf dem Wiener Stephansdom. 550 Jahre alt ist die Baurisszeichnung vom Nordturms des Doms, auf der Laurenz Spenning neben den nach oben strebenden gotischen Architekturdetails auch eine sehr naturalistische Darstellung des geradezu giftgeifernden Wasserspeiers, eines die Kirche vor bösen Mächten schützenden, sogenannten Gargoyles (oder Gargylen), hinterlassen hat.

Tatsächlich hinab stürzt sich – und zwar von einem Felsen ins Meer – hingegen die griechische Dichterin Sappho. Allerdings gleicht der Verzweiflungssprung aus unerwiderter Liebe zum Fährmann Phaon auf Franz Caucigs klassizistischer Federzeichnung (um 1801) eher einem beherzten Entschweben eines flugtauglichen Engels. Es ist also mehr eine luftige Himmelfahrt, die so gar nicht zu den verzweifelten Gesten der Umstehenden passen will.

Dieser kleine Dialog über das Stürzen, der sich zwischen dem ersten und dem letzten, dem zugleich ältesten und jüngsten, Blatt der Ausstellung Altbekanntes und Unerkanntes entspinnt, ist aber eher ein zufälliger. Er steht jedoch für die persönlichen Entdeckungen, die der Besucher im auf 50 Lux gedimmten Korridor der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien derzeit machen kann: Präsentiert werden 36 zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert entstandene zeichnerische Highlights aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts. Also eine Auswahl in der Größenordnung einer Stichprobe, denkt man an das Gesamtvolumen der Kollektion: Rund 100.000 Druckgrafiken, 40.000 Zeichnungen und 20.000 Fotografien schätzt man, weil längst nicht alles inventarisiert ist.

Was für Schätze sich in der nach der Albertina zweitgrößten grafischen Sammlung Österreichs verbergen, "weiß man nicht genau", so Julia M. Nauhaus, die neue Direktorin von Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie. Das berge aber den Vorteil, vieles entdecken zu können. Eine erste Erkundungsreise für die "nicht besonders originelle Idee", die Vielfalt der Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett zu zeigen, führte Kurator René Schober also durch 70 Grafikboxen. Und sie führte zu dem Plan, eben nicht nur altbekannte Glanzlichter, sondern lange – oder gar niemals – ausgestellte Werke zu präsentieren. Neben Meisterwerken wie jenem zuletzt 2006 ausgestellten frappierenden Porträt eines 18-jährigen Jünglings von Albrecht Dürer (1503) hängen nun jahrzehntelang im Depot verstaute Bildnisse wie etwa das um 1540 entstandene psychologisierende Blatt aus der Hand Christoph Ambergers.

Neben reizenden Tierstudien wie jener eines schlafenden Maultiers begeistern in der kleinen Vielfalt Aktzeichnungen von Tintoretto oder Guercino. Der größte Genuss ist aber der Ausflug in den Korridor selbst: eine stille Insel, wo die Zeit langsamer zu verrinnen scheint. (Anne Katrin Feßler, 30.6.2016)