Eigentlich dachte man, die Sache mit der Sicherheitsnadel sei längst gegessen: Wer rammt sich heute noch ein Stück vernickelten Stahl durchs Ohr – Johnny Depp einmal ausgenommen? Bis im letzten Jänner während der Londoner Männermodewoche bei Alexander McQueen blasse Bubis überdimensionierte Sicherheitsnadeln im Gesicht trugen. Reiner Modeschmuck natürlich, ein Hingucker aber auch heute noch.

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Sicherheitsnadel als Schmuckstück bei Alexander McQueen.
Foto: Reuters/ Neil Hall

Mit der Sicherheitsnadel ist das nämlich so eine Sache. Sie hat, seit ein Amerikaner sie vor fast 170 Jahren patentieren ließ, noch keinen kalt gelassen. Darum, wer sie zuerst in der Mode verwendet hat, wurde sogar gestritten: Sid Vicious, Johnny Rotten, Malcolm McLaren oder etwa Vivienne Westwood? Kurzum: Punk hätte ohne sie anders ausgesehen: Westwood erinnert sich in ihrer Biografie daran, dass Johnny eine Sicherheitsnadel im Ohr trug und Sid seine zerfetzten rosa Gabardinehosen mit einer solchen zusammenhielt: "Ich weiß noch, wie er im Geschäft aufkreuzte, in diesen fetzigen Hosen und Klopapier statt einer Krawatte um den Hals. Mädchen benutzten Teekessel als Handtaschen und ein Typ lief mit Marmelade und Toast auf dem Kopf herum." "Sicherheitsnadeln", bekannte die britische Designerin, seien "also gar nicht mal besonders extrem" gewesen.

T-Shirt-Macher Eric Wodegnal pinnt Sicherheitsnadel mitten ins "I Love You"-Shirt.
Foto: Eric Wodegnal

Irgendwann wurden sie sogar von Leuten getragen, die mit Punk nun wirklich nichts zu tun hatten: Liz Hurley begleitete Hugh Grant 1994 zur Filmpremiere von "Vier Hochzeiten und ein Todesfall". Sie trug ein schwarzes Kleid von Versace, das seitlich nur von überdimensionalen Sicherheitsnadeln zusammen gehalten wurde und die Kameras anzog wie die Motten das Licht.

Hurleys Rechnung ging auf. Wenn man sich einmal an sie erinnern wird, dann in diesem Kleid. Heute ist der deutsche Wikipedia-Eintrag des Sicherheitsnadelkleides in etwa so lang wie der von Elizabeth Hurley. Das Kleid wurde 2012 noch einmal von Lady Gaga getragen und 2009 von dem britischen Designer Christopher Kane neu interpretiert.

Eine wirkliche Message allerdings steckte nicht mehr dahinter. Seit einigen Tagen aber ist das anders: Die britische Twitter-Userin Allison hat angesichts zunehmender fremdenfeindlicher Übergriffe seit dem "Brexit"-Votum die Kampagne #safetypin ins Leben gerufen und fordert alle auf, an der Kleidung einen "Safety Pin" zu befestigten. Und so Solidarität mit Migranten zu zeigen. Schon lange hat es nicht mehr so viel Sinn gemacht, sich eine Sicherheitsnadel anzuheften. (feld, 30.6.2016)