Leben und Arbeiten zu Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung. Viele Junge fühlen sich überfordert. 75 Prozent suchen Orientierung und sehnen sich nach "Halt im Leben".

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"Das Leben ist ein Spiel, und die ganze Welt ist meine Bühne", sagen Digitale Individualisten. "Mein eigentliches Leben ist daheim, bei Familie und Freunden", lautet die Einstellung von Adaptiven Pragmatikern. Beide gelten als die Milieus der Zukunft.

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14 Prozent der 14- bis 29-Jährigen glauben daran, dass man als Ich-AG in einer globalisierten Welt das beste für sich herausholen kann.

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Die Welt ist zu kompliziert geworden, um sie wirklich verstehen zu können, finden viele – nehmen die Herausforderungen aber mit Zuversicht an. Fast jeder Zehnte fühlt sich jedoch abgehängt.

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Aufgewachsen zwischen Globalisierung und Digitalisierung, zwischen Wirtschaftskrise und Terroranschlägen: Junge haben es heute mit zahlreichen Herausforderungen zu tun. Gleichzeitig sind ihre Möglichkeiten weit vielfältiger als die der Generationen vor ihnen. Was die 14- bis 29-Jährigen umtreibt, haben bereits zum dritten Mal in Folge die T-Factory Trendagentur und das Integral-Meinungsforschungsinstitut erhoben. Basis für die Studie waren 47 persönliche Tiefeninterviews und 1.028 Online-Interviews.

Darin zeigte sich vor allem der Wunsch nach Orientierung: 75 Prozent der Befragten stimmten der Aussage "Ich suche Halt im Leben" zu. Besonders die Geburtsjahrgänge 1987 bis 2002 dürften diese Sehnsucht in sich tragen. Gesellschaftliche Entwicklungen sehen unter 30-Jährige pessimistisch: Nur 18 Prozent glauben an eine "positive Zukunft der Gesellschaft". 41 Prozent zeigen sich überhaupt pessimistisch.

Faszination und Überforderung

Die Studienergebnisse zeigen außerdem, dass die Optionen durch Globalisierung und Digitalisierung Junge gleichermaßen faszinieren wie überfordern. Was die unter 30-Jährigen begeistert, ist die weltweite Vernetzung und der Nutzen digitaler Tools für den Alltag. Für Verunsicherung sorgen schwer begreifbare Krisen (Sicherheit, Wirtschaftskrise) und die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse.

Das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit des Staates und die Kompetenz der gesellschaftlichen Eliten ist im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken, die Zukunftsängste nehmen offenbar zu.

Komplizierte Welt

Die meisten Jugendlichen bringen ihre Situation so auf den Punkt: Die Welt draußen ist zu kompliziert geworden, um sie wirklich verstehen zu können; die negativen Entwicklungen in unserer Gesellschaft lassen sich nicht mehr aufhalten. Dagegen setzen sie einen überraschend hohen (wenn auch aktuell leicht rückläufigen) individuellen Bewältigungsoptimismus: Man selbst wird es schon schaffen, wird sich entschlossen und pragmatisch durch die Wirren des Lebens kämpfen.

Aber längst nicht alle nehmen die Herausforderungen der komplexen Gesellschaft mit Zuversicht an: Ein Drittel der Jungen sind skeptisch in Bezug auf ihre persönlichen Zukunftschancen, zusätzlich fühlt sich fast jeder Zehnte (speziell aus bildungsfernem Elternhaus) abgehängt und ist relativ hoffnungslos.

14 Prozent setzen auf "Ich-AG"

Die Strategien, die Herausforderungen im Alltag zu bewältigen, sind dabei höchst unterschiedlich. Einige greifen auf Wertesysteme zurück, die ihnen ihre Eltern, Lehrer und/oder die Peer-Group vermitteln. In der Studie ist von 15 Prozent die Rede, die auf eine bürgerlich-konservative Weltsicht zurückgreifen. Sie beharren etwa auf Glaube, Pflicht und Bescheidenheit, wobei sie beschleunigte Zeit oftmals ablehnen. Weitere zehn Prozent setzen auf Selbstverwirklichung und soziale Verantwortung. Vierzehn Prozent halten die Überzeugung aufrecht, dass man als Ich-AG in einer globalisierten Welt das Beste für sich herausholen kann.

Eine andere Strategie ist Weltflucht: 21 Prozent der Befragten lehnen die Werte der Mainstream-Gesellschaft ab und suchen selbst das Glück im Eskapismus. Eine dritte Gruppe versucht die großen Themen der Gesellschaft zu ignorieren und konzentriert sich auf das, was für sie begreifbar und bearbeitbar ist – und was sie selbst weiterbringt. Diese Gruppe unterteilen die Studienautoren in die Adaptiv-Pragmatischen (20 Prozent der Befragten) – sie streben nach Sicherheit im Familien- oder Freundeskreis – und die Digital-Individualisten (ebenfalls 20 Prozent) – sie sind mobil und experimentieren mit den neuen Möglichkeiten.

Keine Vorstellung von "Zukunft"

Diese Pragmatiker und Individualisten seien die Zukunftsmilieus: "Sie werden in unserer Gesellschaft immer wichtiger werden", schreiben die Studienautoren, wobei sie auf ein Paradoxon hinweisen: Die Zukunftsmilieus haben keine klare Vorstellung von "Zukunft". Sie glauben nicht mehr an die großen Visionen vom gesellschaftlichen Fortschritt. Relevant ist für sie vielmehr der eigene, unmittelbare, konkrete Vorteil innerhalb der kleinen Gemeinschaft oder im eigenen Netzwerk. (lib, 29.6.2016)