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Lange warf sich Gábor Király erfolgreich allen belgischen Wellen entgegen. Der alte Mann und seine Hose haben einen zweiten Frühling erlebt. Nun denken beide womöglich auch an die WM-Quali.

Foto: reuters/platiau

Sopron – Unbedarfte, die es am Montagabend in die Soproner Innenstadt verschlagen hat, sind wahrscheinlich von einem grandiosen Sieg ausgegangen. Hunderte zogen da nach der Achtelfinalpartie gegen Belgien auf die Grabenrunde, den Várkerület. Vom Déak tér kamen sie, vom großen Public Viewing auf dem Hauptplatz. "Ria, ria", skandierten sie fröhlich und zündeten Rauchkerzen, "Hun-ga-ria!" Und wollte einer mit einem österreichischen Auto passieren, hieß es, noch fröhlicher klarerweise: "Auf Wiedersehn!"

So verlieren zu können ist eine wahrhaft schöne Kunst. Das 0:4 – der Stimmungslage widersprechend ist Ungarn im Achtelfinale gegen den Mit-Titelfavoriten Belgien ziemlich untergegangen – galt weniger als Niederlage. Mehr als ein Versprechen. Was heißt: eine Verheißung.

Tatsächlich hat die ungarische Mannschaft Belgien zu seiner ersten wirklich außerordentlichen Leistung gezwungen. Erst in der letzten Viertelstunde durfte der konternde Gegner kantern. Bis dahin boten die Magyaren – Rookie László Kleinheisler musste schenkelbedingt passen – einen immer offener gestalteten Schlagabtausch.

Zweiter Auftrag

Man mag es naiv nennen, einer so umschaltaffinen und darin ganz besonders raffinierten Mannschaft die offene Feldschlacht anzubieten. Aber wer den ungarischen Auftritt bei diesem Turnier – die überraschten Labanzen waren zum Auftakt das erste Opfer – verfolgt hat, konnte sich des Eindrucks nur schwer erwehren, dass die Ungarn hier einen zweiten, einen eigentlichen Auftrag zu erfüllen hatten: Sie wollten nämlich die daheim auch stolz machen.

Und die daheim verstanden die ballesterische Botschaft. Nicht nur die in Sopron. Magyar Nemzet berichtet aus der Hauptstadt: "Trotz des Ausscheidens feierten die Menschen in Budapest ihre elf Spieler und deren Leistung wie Sieger."

Magyar Nemzet, mag sein, übertreibt da aus Regimetreue. Der alten Tante Népszabadság aber lässt sich wohl kaum etwas diesbezüglich Gelenktes nachsagen. Und die Volksfreiheit schreibt in aller Zurückhaltung: "Ungarn sagt bei der EM erhobenen Hauptes 'Auf Wiedersehen'."

Keine Angst

Der Respekt, den sich das ungarische Team – ein ziemliches No-Name-Team zu Beginn, erst über die Barrage ins Turnier gekommen – hier erarbeitet hat in seinen vier EM-Auftritten, gilt zwischen Sopron und Szeged als Perspektive. Der deutsche Trainer Bernd Storck behauptet nicht ganz zu Unrecht: "Wir müssen vor der Zukunft keine Angst haben."

Storck ist ja, darin dem Marcel Koller von jenseits der Grenze nicht unähnlich, der Verweser eines großen Erbes. Da wie dort neigt man – so viele gemeinsame Jahrhunderte lassen sich ja doch nicht ganz verleugnen – zum manisch-depressiven Irresein, was den jetzigen magyarischen Stolz doch auch etwas relativieren kann. Schon hört man ja im Ungarland Anspielungen auf die Goldene Mannschaft der 1950er-Jahre rund um Ferenc Puskás. Oder zumindest auf die von 1986: Esterházy, Kiprich, Détári.

Gábor Király, der 1986 schon zehn gewesen ist, war sicher der Herausragendste. Nicht nur den Belgiern, aber denen auch, hat der 40-jährige Goalie aus Szombathely den Nerv gezogen. Jetzt sagt er: "Ganz Ungarn kann stolz sein." Sein Trainer nickt: "Das war ein großer Schritt für den ungarischen Fußball. Wir sind zurück."

Und demnächst schon wieder aktiv in der WM-Qualifikation. Der Auftakt ist am 6. September. Auswärts bei den Färingern! Mit Király? Király: "Wir werden sehen." (wei, 27.6. 2016)