Eigentlich wollten sich EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und US-Außenminister John Kerry am Sonntag in Rom treffen. Aber daraus wurde nach dem Referendum nichts. Die Italienerin bat ihren Amtskollegen um ein Treffen in Brüssel am Montag, weil sie dort "derzeit unabkömmlich" sei, wie sie erklären ließ.

Diese kleine Fahrplanänderung ist nur der äußerliche Ausdruck für mögliche tiefgehende Umstellungen, die in der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach der knappen Austrittsentscheidung der Briten bevorstehen. Nicht zufällig wird Kerry in der EU-Hauptstadt, die zugleich Sitz der Nato, des transatlantischen Verteidigungsbündnisses, ist, auch den britischen Außenminister Philip Hammond extra treffen. Großbritannien ist als eines von fünf Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und als Atommacht für die Europäer bisher der wichtigste Spieler gewesen, wenn es um robuste Außen- und Sicherheitspolitik ging.

Nur Frankreich spielt in dieser Liga mit (siehe Artikel rechts). Es verfügt aber nicht über die "special relations" zu den USA und entsprechende militärische und geheimdienstliche Fähigkeiten. US-Präsident Barack Obama hat am Wochenende in einer Reaktion auf das Referendum ausdrücklich betont, dass die engste Bindung zwischen Washington und London von einem EU-Austritt nicht infrage gestellt werde.

Sollte Großbritannien nicht mehr in den EU-Sicherheitsgremien vertreten sein, fiele naturgemäß auch seine Mitgestaltung der EU-Außenpolitik weg, was Deutschland automatisch in eine deutlich wichtigere Rolle brächte. Praktisch würde das aber wohl bedeuten, dass die EU öfter als bisher den Umweg über die Nato als Hilfeleister gehen müsste. So war es beim Start der Aktion "Sophia" im Mittelmeer vor einem Jahr ausgerechnet der britische Premier David Cameron, der als Erster die Entsendung eines Kriegsschiffs zur Rettung gekenterter Flüchtlinge ins Mittelmeer anordnete.

Mogherini will nun mit Kerry die Fortsetzung der Zusammenarbeit von EU und USA erläutern. Beim EU-Gipfel am Dienstag will sie eine Initiative starten, um das Vertrauen der Bürger in die Union zu stärken. (tom)

(tom, 27.6.2016)