Christian Kern freut sich über die Vorschusslorbeeren.

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Wien – Christian Kern fliegen die roten Herzen zu. Bei seiner ersten Wahl zum SPÖ-Chef erhielt er am Samstag bei einem Bundesparteitag in der Wiener Messe 96,8 Prozent der Stimmen. Dass für ihn allerdings noch einiges zu tun ist, um innerparteiliche Harmonie herzustellen, bewiesen schwache Ergebnisse für Vertreter des linken und rechten Flügels.

Schon bei Kerns Einzug, bevor er sein erstes Wort gesprochen hatte, sprangen die ersten Delegierten von den Sitzen und überschütteten Kern mit Beifall, was diesem sogar Tränen in die Augen schießen ließ.

Minutenlanger Applaus

Endgültig beseelt war die Basis dann ob seiner überraschend langen Rede. Unter dem Parteitagsmotto "Österreich begeistern" nahm sich Kern mehr als 80 Minuten Zeit, um zu skizzieren, wofür die SPÖ unter ihm stehen soll. Die Inhalte unterschieden sich zwar kaum von seinem Vorgänger Werner Faymann, doch die Wortwahl und der größtenteils freie Vortrag riss die Delegierten zu minutenlangem Applaus hin.

"Was ihr mir heute gegeben habt, werde ich mein Leben nicht vergessen", sagt Christian Kern, nachdem er mit 97 Prozent gewählt worden ist.
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Schwierige Themen umschiffte Kern. Die Flüchtlingspolitik streifte er lediglich im Zusammenhang mit der Klimapolitik, ließ aber aufhorchen, als er den von der ÖVP und FPÖ geprägten Begriff der "Völkerwanderung" in den Mund nahm. Den "Brexit" will er nüchtern analysieren.

Die Maschinensteuer, auch Wertschöpfungsabgabe genannt, bewarb der neue Parteichef. "Digitalisierung bedeutet, dass Lohnarbeit weniger wird", sagte Kern. Man müsse sich angesichts der sinkenden Steuereinnahmen aus Lohnarbeit die Frage stellen, wie der Sozialstaat finanziert werden solle.

Genossen aufpäppeln

Der Kanzler konzentrierte sich in seiner Rede darauf, die von Wahlniederlagen gebeutelte Partei mit Selbstvertrauen aufzupäppeln, ihr aber gleichzeitig die Notwendigkeit für Veränderungen nahezubringen. "Meine persönliche Überzeugung ist, das sozialdemokratische Zeitalter fängt jetzt erst gerade an", rief der Kanzler den hoffnungsfrohen Genossen zu und setzte nach: "Unser historisches Mandat ist längst nicht verbraucht."

Kern schraubt die Erwartungen an ihn zurück: "Eine Einzelperson wird gar nichts erreichen."
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Es sei aber nötig, neue Antworten zu suchen. Die SPÖ dürfe keine Außenstelle des Bundeskanzleramts sein: "Wir müssen bunter sein, vielfältiger sein, eine Bewegung, die mitten im Leben steht." Die Basis will der neue Chef etwa über künftige Koalitionsverträge mit entscheiden lassen.

Die wahre Wirtschaftspartei

Seine Wirtschaftskompetenz strich der ehemalige Strom- und Bahnmanager indirekt hingegen durchaus gern hervor und bemühte sich dabei, auch den Koalitionspartner ein wenig zu ärgern: "Wir sind die wahre Wirtschaftspartei im Land", fand der Kanzler für einen SPÖ-Chef eher ungewöhnliche Worte und geißelte deren Ablehnung der Wertschöpfungsabgabe als reine Lobbying-Politik.

Mit der ÖVP will Kern die Regierungszusammenarbeit dennoch bis 2018 weiterführen, auch wenn dafür noch genug Kompromisse notwendig sein würden. Ob danach die Freiheitlichen als Partner in Frage kommen, soll anhand eines Kriterien-Katalogs entschieden werden. Viel hält Kern von der FPÖ jedenfalls nicht: "Die können's nicht", sagte Kern mit Blick auf das Finanzdesaster, das freiheitlich geführte Regierungen in Kärnten hinterlassen haben.

Risse in der Partei

Lob für die Rede des Kanzlers kam in der anschließenden durchaus ausführlichen Diskussion von so gut wie allen Rednern. Ein reiner Jubelparteitag wurde es dann aber nicht, zeigten sich doch die bekannten Risse in der SPÖ. Während SJ-Funktionäre Rot-Blau im Burgenland verdammten, warb Verteidigungsminister Hans Peter Doskozill für Pluralität und Breite in der Partei.

Doskozil, der für seinen burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl in das Präsidium einzog, wurde mit dem schwächsten Ergebnis von 80,8 Prozent bedacht. Niessl selbst erklärt sich das in Gespräch mit dem STANDARD damit, dass es "manche gibt, die mit dem Thema Sicherheit ein Problem haben". Doskozil sei jedenfalls ein hervorragender Verteidigungsminister. Offensichtlich sei seine Popularität manchen ein Dorn im Auge.

Hans Niessl verteidigt Rot-Blau im Burgenland.
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Bures unter 85 Prozent

Die prominenteste Repräsentantin des linken Flügels, Sonja Wehsely musste sich mit gut 87 Prozent begnügen. Nationalratspräsidentin und Faymann-Vertraute Doris Bures landete bei der Wahl in den Vorstand bei knapp unter 90 Prozent, im Präsidium bei nicht einmal 85 Prozent. (APA, koli, sefe, mvu, 25.6.2016)