Die bürokratischen Hürden, in einem Deutschkurs unterzukommen, sind für viele der jungen Flüchtlinge kaum zu überwinden.

Foto: Heribert Corn

Graz – "Was machen all die anderen Flüchtlingskinder, die keine Unterstützungen bekommen?", fragt Lisa Smeh. Die Grazer Mathematik- und Philosophieprofessorin betreut mit Kolleginnen am Akademischen Gymnasium Graz zwei syrische Jugendliche, die hier in Graz nach langer Flucht gestrandet sind.

Einer der beiden hatte sich zu Fuß von Griechenland auf den Weg gemacht. "Er ist schwer traumatisiert", sagt Smeh, er habe aber einen Traum: Der Junge wolle lernen, Deutsch lernen, um hier in Österreich ans Bildungssystem andocken zu können.

Doch je mehr sich Smeh und ihre Kolleginnen bemühten, den beiden Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen, desto dichter und undurchschaubarer wurde das Dickicht der Bürokratie.

Die Direktorin des Gymnasiums hatte die beiden syrischen Jugendlichen als Gastschüler am Gymnasium aufgenommen. Beide haben noch keinen Asylbescheid und dürfen deshalb noch an keinem offiziellen Deutschkurs teilnehmen, sagt Smeh. Die Burschen besuchen zwar den Unterricht am Gymnasium, die Lehrer dürfen ihnen aber keine Zertifikate ausstellen, keine Noten geben.

Auch der Deutschunterricht bleibt ohne Zertifikat, beide verfügen über eine gute Vorbildung, sie können Pflichtschulabschlüsse vorweisen und besuchten zuletzt eine höhere Schule, die mit der Gymnasialoberstufe vergleichbar sei, sagt Smeh. Die Professorinnen begaben sich monatelang auf der Suche nach Hilfe für eine Aus- und Weiterbildung ins Labyrinth der österreichischen Flüchtlingsbürokratie. "Es war zermürbend: Jede Stelle hat uns eine andere Auskunft gegeben. Wir sind im Kreis geschickt worden", erinnert sich Lisa Smeh.

Lange Wartelisten

"Wir bekamen etwa die Information, dass sie eventuell an einem Externisten-Hauptschullehrgang teilnehmen könnten. Dieser sei kostenlos, was ja auch wichtig für die Jugendlichen ist. Nur: Die Wartelisten sind lang, und man muss Deutsch auf einem hohen Niveau können. Schwierig ohne Deutschkurs, in den man nicht reinkommt. Wir telefonierten weiter und besuchten namhafte Vereine, recherchierten im Internet. Die Kontaktpersonen, die uns Auskunft gaben, waren alle sehr nett und hilfsbereit, aber auch hilflos. Alle waren irgendwie bemüht, aber es herrschte totales Chaos, weil keiner über exakte Informationen verfügt, wie die beiden zu Deutschkursen kommen könnten", klagt die Pädagogin.

Schließlich tauchte die Variante von ehrenamtlich angebotenen Deutschkursen auf. Aber: Dafür gibt's kein Zertifikat und überdies Wartelisten von ungefähr 200 Personen. Schließlich erfuhren die Professorinnen des Gymnasiums von einem weiteren Deutschprogramm: Dieses jedoch wird nur für Personen im Alter von 18 bis 20 Jahren mit Asylstatus angeboten. Da passen die beiden nicht rein. Sie sind erst 17 und eben noch ohne Asylstatus.

Nur mit Unterstützung

Die Monate vergingen, die Jugendlichen machten schließlich den Aufnahmetest für eine sogenannte "Übergangsstufe der Caritasschule", in der sie Deutschunterricht erhalten und einen Pflichtschulabschluss absolvieren könnten. Sie bestanden den Aufnahmetest und freuten sich. Doch einer der beiden wurde plötzlich abgelehnt – aufgrund eines inoffiziellen Erlasses, der über 18-Jährigen diese schulische Möglichkeit verwehrt. Bei Beginn der "Übergangsklasse" war er um zwei Monate zu alt. Außerdem benötigt der Kurs, wie sie schließlich erfuhren, als Voraussetzung ohnehin Deutschkenntnisse auf A1-Niveau.

Zu guter Letzt erbarmte sich die Direktorin einer Abendschule, die beiden aufzunehmen – nach mehreren weiteren Interventionen der Professorinnen bei anderen Stellen. "Aber", und hier wiederholt sich Lisa Smeh: "Was machen all die vielen anderen jungen Flüchtlinge, die von niemanden persönlich unterstützt werden?" (Walter Müller, 25.6.2016)