EU-Kritiker wie Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen und Harald Vilimsky (re.) fühlen sich durch den Brexit bestärkt.

Die Freiheitlichen hielten mit ihrer Freude nicht hinterm Berg. Ein Votum gegen den "anhaltenden Migrationswahn" sei die Entscheidung der Briten für einen Brexit, auch eines gegen den "politischen Zentralismus", deponierten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Generalsekretär Harald Vilimsky.

Mit Forderungen, nun auch die Österreicher per Volksabstimmung über den Austritt aus der Europäischen Union abstimmen zu lassen, halten sich die Blauen aber vorerst zurück. "Jetzt muss die EU die richtigen Schritte setzen, die wieder zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen", sagte Vilimsky im Gespräch mit dem STANDARD. Er fügt aber auch hinzu: Wenn es zu keinen Reformen komme, sei für die FPÖ auch eine Öxit-Abstimmung Thema.

Aufgeschoben

Die Causa scheint also vorerst nur aufgeschoben. Jene Punkte, die die FPÖ umgesetzt wissen will, wären jedenfalls nur mit fundamentalen Änderungen möglich. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit will Vilimsky so lange aussetzen, bis sich die Wirtschaftsniveaus der Mitgliedsstaaten halbwegs angepasst haben, "damit die Migrationsströme nicht zusätzlich unseren Arbeitsmarkt belasten".

Das Schengener Abkommen, das zur Abschaffung der Grenzkontrollen geführt hat, will die FPÖ "breitflächig aussetzen". Zudem müssten wieder Kompetenzen von Brüssel an die nationalen Parlamente zurückverlagert und die direkte Demokratie ausgebaut werden, meint Vilimsky.

Dass es sich dabei nicht gerade um Kleinigkeiten handelt, sondern um Dinge, die nur mit gröberen Änderungen der EU-Verträge machbar wären, kommentiert der FPÖ-Politiker so: "Dafür sind Politiker da, dass sie Verträge ändern." Er sei ja auch nicht grundsätzlich gegen europäische Kooperation, sondern nur gegen "übertriebene Kooperation". Vilimsky: "Das ist die letzte Chance für die EU. Wenn die vergeigt wird, dann zerfällt sie."

Weniger Kompetenzen

Für eine Kompetenzbereinigung plädiert auch Außenminister Sebastian Kurz. Bei den "kleineren Themen" solle sich die EU zurücknehmen, bei den großen wie Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik brauche es dafür eine stärkere EU.

Kanzler Christian Kern geht davon aus, dass Europa durch den EU-Austritt der Briten "international an Bedeutung" verlieren wird. Die Wirtschaft werde die Auswirkungen noch geraume Zeit spüren. Die Notwendigkeit eines Reformprozesses sieht auch der neue SPÖ-Chef. Faire Bedingungen müssten ganz oben auf der Agenda stehen. "Es kann nicht sein, dass vom europäischen Projekt nur Großkonzerne profitieren." Einen "Dominoeffekt", also den Austritt weitere Länder, befürchtet Kern aber nicht. Klar sei jedenfalls: "Wir werden in Österreich mit Sicherheit kein Referendum ansetzen."

Weckruf

In diese Kerbe schlug auch Bundespräsident Heinz Fischer. "Ich sehe in Österreich und auch in den anderen EU-Ländern keine Anzeichen, dass weitere Austritte bevorstehen könnten." Er hofft auf einen "Weckruf" für jene, "denen Europa am Herzen liegt".

Besorgt über das Briten-Votum zeigte sich die Chefin der Grünen, Eva Glawischnig. Sie sieht die "Hoffnungen auf die Überwindung der Wirtschaftskrise" schwinden. Es brauche nun "Alternativen zu den rückwärtsgewandten, nationalistischen und antieuropäischen Reflexen der rechten Parteien".

Neos-Chef Matthias Strolz forderte einen Reformkonvent, "um die EU zukunftsfit zu machen". Damit will er im März 2017, also 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge, beginnen.

Das Team Stronach sieht die politische Union bereits zum Scheitern verurteilt. Die EU solle sich daher, wie seinerzeit bei der Gründung, auf den Wirtschaftsbereich zurückziehen, erklärte Klubobmann Robert Lugar.

Der Brexit könnte auch für zusätzliche Termine im Nationalratswahljahr 2018 sorgen. Großbritannien wäre planmäßig in der zweiten Jahreshälfte 2017 mit dem EU-Vorsitz an der Reihe. Dass es diesen parallel zu Austrittsverhandlungen wahrnimmt, wird bezweifelt. Somit würde Österreich vorrücken und käme im zweiten Halbjahr 2018 – also wenn auch der reguläre Wahltermin wäre – zum Zug. (go, 24.6.2016)