Es gibt es ein schönes Zitat, das dem Schauspieler Morgan Freeman zugeschrieben wird: "Ich hasse das Wort Homophobie. Es ist keine Phobie. Du bist nicht verängstigt. Du bist ein Arschloch."

Der Begriff ist deshalb so fragwürdig, weil er den Anschein einer nachvollziehbaren Begründung für Taten und Verhaltensweisen erwecken soll, die nichts mit Angst zu tun haben. Wer Homosexuelle anfeindet, herabsetzt und mit Gewalt überzieht, der soll danach nicht in gespielter Unschuld die Hände heben und auf seine Befürchtungen verweisen. Diese implizite Rechtfertigungsstrategie zeichnet das Bild von jemandem, der einem anderen ständig hinterherläuft, um ihm zu sagen, dass er ihn gefälligst in Ruhe lassen soll. Der ihn festhält, um ihm ins Gesicht schlagen zu können, und dabei aus vollem Hals "Geh weg, ich hab Angst vor dir!" brüllt.

Zynische Forderung

In diesem Zusammenhang missfällt mir der Begriff auch. Nicht zuletzt, weil er die Beseitigung dieser Phobie zu sehr als Bringschuld von Homosexuellen definiert: Tut bitte schön was dafür, dass wir Heterosexuellen uns vor euch nicht mehr so ängstigen müssen. Verhaltet euch nicht andauern wie eine schrille Minderheit, das irritiert uns.

Was für eine zynische Forderung. Es missfällt mir aber auch deshalb, weil es mit unschöner Regelmäßigkeit Lesben und andere Menschen aus dem LGBTI*-Bereich verunsichtbart, indem es nur über schwule Männer spricht, wo queere Menschen gemeint sind, und Homosexuelle adressiert, wo es dezidiert um Schwule geht. Auch ich kann mich von diesem Umstand nicht freimachen, wenn ich im Folgenden Homophobie als Markenkern von Männlichkeit benennen werde. Denn in der Tat geht es dabei großflächig um das Verhältnis von heterosexuellen Männern untereinander und zu schwulen Männern.

Hochgradig angstbesetzt

Der Begriff Homophobie ist also einigermaßen problematisch. Gleichzeitig halte ich ihn für stärker und belastbarer, als es das Zitat vermuten lässt. Es beschreibt den Markenkern von Männlichkeit, und dieser Kern ist tatsächlich hochgradig angstbesetzt. Der Soziologe Michael Kimmel hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass Homophobie sich in Bezug auf heterosexuelle Männer eben nicht in der irrationalen Angst vor Homosexuellen (und insbesondere schwulen Männern) erschöpft, sondern sich darüber hinausgehend vielmehr auf heterosexuelle Geschlechtsgenossen bezieht. Die Angst, die empfunden wird, speist sich im Wesentlichen nicht aus einer unmittelbaren Furcht vor dem, was bei anderen als unmännlich empfunden wird, sondern aus der Panik, dass diese Merkmale an einem selbst identifiziert werden könnten.

Heterosexuelle Männergruppen bilden dabei eine Art Genderpolizei. Ein Tribunal, das die Männlichkeitsperformance seiner Mitglieder beständig überwacht, bewertet und entsprechende Bestrafungen für die Zurschaustellung eines fehlerhaften Habitus vornimmt.

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Homophobes Verhalten hat also zwei Bedeutungsebenen. Auf der ersten Ebene kommuniziert es an das Opfer: Du bist kein echter Mann – das hast du jetzt davon! Das ist genau jene Arschlochhaftigkeit, welche die einleitende Aussage, die sich den Hinweis auf Furcht als Tatrechtfertigung verbittet, so treffend bloßgelegt hat.

Auf der zweiten Ebene sendet es eine Botschaft an die Peergroup: Seht her, ich bin ein echter Mann, weil ich diesen da als falschen Mann markiere. Und auf dieser Ebene herrscht die nackte Angst.

Heterosexuelle Männer sind dort diejenigen, die ihre Beziehung zu anderen Männern seit geraumer Zeit mit der Floskel "No homo" legitimieren, um zu zeigen, "wie herbe hetero Mann doch ist".

Ponk

Sie haben das rhythmische Rückenklopfen bei Begrüßungsumarmungen erfunden, um noch "eine gewissen Kernigkeit im Verhältnis zu bewahren".

Toxisches Männlichkeitskonzept

Sie sind in letzter Konsequenz auch diejenigen, deren vorgeblich echte und einzig wahre Männlichkeit dadurch geschützt und bewiesen werden muss, dass sie abweichendes Verhalten vor sich und für andere identifizieren, abwerten und auslöschen.

Dieses Männlichkeitskonzept wirkt nach innen und außen toxisch. Es vergiftet Beziehungen und Selbstwahrnehmung, es priorisiert über Gewalt und Ausgrenzung, und es entwickelt Zugehörigkeit über bizarre Taktiken der Selbst- und Fremdvergewisserung innerhalb eines engen Horizonts aus Angst und Ohnmacht. Männlichem Superioritätsgebaren liegt ein tiefes, unberührbares Unterlegenheits- und Verunsicherungsgefühl zugrunde. Wenn sich dieses Gefühl (an)fassen ließe, könnte man das Gift möglicherweise neutralisieren und freiere Konzepte von Männlichkeit entwickeln.

Aber Mann muss ja kernig bleiben. Umarmung gibt’s nur mit Rückenklopfer. Und überhaupt: No homo! (Nils Pickert, 26.6.2016)