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Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (li.) und Farc-Chef Rodrigo Londono alias "Timochenko" zu Beginn der Zeremonie zur Unterzeichnung des Friedensvertrages. Auch Kubas Präsident Raul Castro (re.), der zwischen den beiden vermittelte, war bei der Zeremonie dabei.

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Jahrzehntelang bekriegten Farc-Rebellen und kolumbianische Streitkräfte einander.

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Puebla – Nach über 50 Jahren Blutvergiesßen werden in Kolumbien bald die Waffen schweigen. Am Donnerstag tauschten in Havanna im Beisein des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und der Führer der linken Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc), Rodrigo Londoño alias Timochenko, die Vereinbarung über einen bilateralen Waffenstillstand aus. In der Nacht zuvor wurden sich beide Seiten einig, in welchen 31 Zonen die Rebellen sich konzentrieren werden, um dort nach und nach ihre Waffen abzugeben.

Diese Übergangsphase vor der Wiedereingliederung ins zivile Leben, die von der Uno überwacht wird, soll längstens sechs Monate dauern. Begonnen wird mit der Waffenabgabe der Vereinbarung zufolge aber erst, wenn auch die letzten noch offenen Punkte des Friedensvertrags unter Dach und Fach sind. Damit rechnet die Regierung bis Ende Juli. Der Friedensvertrag soll dann nicht mehr in Kuba, sondern in Kolumbien unterzeichnet werden, verkündete Santos am Donnerstag. Die Farc, die seit einem Jahr eine unilaterale Waffenruhe weitgehend einhalten, haben Schätzungen zufolge noch um die 8000 Männer und Frauen unter Waffen.

Regierung muss Linke vor Todesschwadronen schützen

Ein problematischer Punkt – besonders für die Farc – war ein klares Bekenntnis des Staates zur Bekämpfung der neuen rechten paramilitärischen Gruppen. Ursprünglich als Handlanger des Militärs und der Großgrundbesitzer geschaffen, um die Guerilla zu bekämpfen, haben sich die Todesschwadronen in den 90er-Jahren zu selbstständigen kriminellen Mafiaorganisationen entwickelt. Nicht alle legten bei der Demobilisierung zwischen 2003 und 2006 ihre Waffen nieder. Besonders in den vergangenen Monaten haben Morde an Menschenrechtlern, Gewerkschaftern und Bauernaktivisten wieder zugenommen; auch mit bewaffneten Blockaden demonstrierten die neuen paramilitärischen Gruppen ihre Macht.

Ende der 80er-Jahre war schon einmal ein Versuch der Wiedereingliederung der Farc gescheitert, nachdem Todesschwadronen mehr als 3.000 demobilisierte Kämpfer, linke Aktivisten und Politiker ermordet hatten. Die Regierung verpflichtet sich in dem Abkommen, diese Gruppen und ihre Unterstützer in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft entschlossen zu bekämpfen und linke Aktivisten und Politiker zu schützen.

Spätes Ende des 20. Jahrhunderts in Lateinamerika

Santos sprach von einem Meilenstein auf dem Weg zum endgültigen Frieden. "Wir arbeiten hart, damit ein Traum Wirklichkeit wird", twitterte er. Kolumbien beende als letztes lateinamerikanisches Land das von Diktaturen und Guerillabewegungen geprägte 20. Jahrhundert und beginne ein neues Kapitel, sagte der Direktor der Stiftung für Frieden und Versöhnung, León Valencia. Die größte Herausforderung sei nun, dass die politische Eingliederung der Rebellen gelinge.

Gegner der Friedensverhandlungen wie der ultrarechte Ex-Innenminister Fernando Londoño sprechen hingegen von einer "Kapitulation" und sammeln Unterschriften gegen ein Friedensabkommen. Im kolumbianischen Bürgerkrieg, der sich an der ungerechten Landverteilung entzündet hatte, starben 220.000 Menschen, mehr als sechs Millionen wurden vertrieben.

Gewalt deutlich zurückgegangen

Die Gewalt hat seit Beginn der Verhandlungen vor mehr als drei Jahren deutlich abgenommen. Bis zur endgültigen Unterzeichnung des Friedensvertrags fehlen allerdings noch zahlreiche Details, die bis zuletzt ausgeklammert wurden. Dabei handelt es sich um besonders strittige Punkte wie die Definition der amnestierbaren Verbrechen, die politische Teilnahme der ehemaligen Guerilleros und Details, wie der Friedensvertrag umgesetzt und überwacht werden soll oder welchen Einfluss die Rebellen auf die Benennung der Sondergerichte haben werden, die für die Aburteilung von Kriegsverbrechen zuständig sind.

Präsident Santos, dessen Mandat 2018 endet, hat die Delegationen zur Eile gemahnt. Er will den Friedensvertrag auf jeden Fall noch der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. Die Farc hingegen plädieren für eine verfassungsgebende Versammlung oder eine verfassungsrechtlich bindende Volksbefragung, um das Abkommen juristisch so festzuklopfen, dass es auch unter möglicherweise kritisch eingestellten neuen Regierungen Bestand hat. Das Verfassungsgericht prüft gerade das vom Kongress verabschiedete Referendumsgesetz und wird hinsichtlich der Art der Volksbeteiligung wohl das letzte Wort haben.

Friedensschluss mit ELN noch offen

Ebenfalls noch offen ist der Frieden mit der deutlich kleineren Guerillabewegung Nationales Befreiungsheer (ELN), mit der bereits Sondierungsgespräche stattfinden. Santos hofft, dass das an Bodenschätzen und fruchtbarem Ackerland reiche Kolumbien nach dem Friedensschluss endlich sein volles wirtschaftliches Potenzial entwickelt. Er geht von einem zusätzlichen Wachstum von zwei Prozentpunkten jährlich aus.

Allerdings kosten die Umsetzung der Friedensverträge, die Rückgabe widerrechtlich angeeigneter Ländereien, Programme für Kleinbauern und die Wiedereingliederung der ehemaligen Kämpfer auch eine Menge Geld. Experten gehen von fünf bis 18 Milliarden US-Dollar aus. (Sandra Weiss, 23.6.2016)