Einiges, was die geladenen Wahlbeisitzer am dritten Tag aussagen, erfreut das leidgeprüfte Höchstrichterohr.

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Der Mittwoch, ein Freudentag für Verfassungsrichter. Nicht nur ist die öffentliche Verhandlung der von der FPÖ eingebrachten Anfechtung der Präsidentschaftswahl bereits am frühen Nachmittag beendet – und heute, Donnerstag, dürfte die Zeugenbefragung voraussichtlich überhaupt schließen. Auch einiges, was die geladenen Wahlbeisitzer aussagen, erfreut das leidgeprüfte Höchstrichterohr.

Gleich zu Beginn etwa, als sich herausstellt, dass an dem Vorwurf, im Bezirk Liezen seien Wahlkarten vorzeitig geöffnet worden, nichts dran ist. Im Gegenteil: Die Richter loben explizit das korrekte Vorgehen der Wahlkommission, nicht einmal der FPÖ-Zeuge will Einwände erheben.

Ob die Rechtsvertreter der FPÖ in diesem Punkt die Anfechtung zurückziehen, fragt VfGH-Präsident Gerhart Holzinger. Anwalt Rüdiger Schender will das erst im Team beraten, verzichtet aber auf weitere Zeugen aus dem Bezirk. Später erfährt DER STANDARD, dass ein Zurückziehen ziemlich sicher nicht infrage kommt. Denn das würde bedeuten, dass man den aus FPÖ-Sicht rechtswidrigen Vorgang der Wahlkartenvorsortierung, den es in diesem Fall gab, akzeptieren würde – genau das bekrittelt man aber in zahlreichen weiteren Bezirken.

Auch im Fall Graz-Umgebung haben die Richter Positives anzumerken – und zwar trotz Verstößen gegen das Bundespräsidentenwahlgesetz. Zur Erklärung: Für eine Aufhebung relevant werden Gesetzeswidrigkeiten erst, wenn dadurch das Wahlergebnis beeinflusst worden sein könnte. Bezirkshauptmann T. erklärt am Mittwoch, er habe bereits am Freitag vor der Wahl die ersten Wahlkarten "geschlitzt" (ein Wort von zunehmender Wichtigkeit, mehr dazu später), ebenso am Wahlsonntag. Genauso hat man es bereits beim ersten Wahldurchgang praktiziert – mit sonntäglichem "Schlitzen". Diesmal wurde auch der Beginn der Auszählung am Montag nach der Wahl um zwei Stunden nach vorne verlegt – nämlich auf 7.15 statt wie gesetzlich vorgesehen 9 Uhr.

Der Beamte ist ein Freund des klaren Wortes, er habe im Bewusstsein gehandelt, "dass das nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes durchführbar ist". Als Begründung nennt er das Ansteigen der Wahlkarten von 11.800 auf 17.400 bei der Stichwahl. Aber auch den Druck, der auf den Behörden laste: "Es war jedem von uns bekannt, dass der Herr Innenminister um 17 Uhr ein Ergebnis bekannt geben will. Wenn ich da net fertig bin, ist der schwarze Peter bei meiner Behörde." Die Richter schätzen die Offenheit. Er habe ihm "ein wenig Vertrauen ins Berufsbeamtentum wiedergegeben", dankt Holzinger dem Zeugen.

Ministerbremse

Ob das Ministerium wisse, dass zumindest Graz-Umgebung bereits seit der Nationalratswahl 2013 wie beschrieben vorgeht? Der Leiter der Wahlabteilung, Robert Stein, erklärt erneut die Akten zum einzigen Anhaltspunkt. Er habe nicht wissen können, "dass das vorne und hinten nicht passt". Den (medialen) Druck auf eine rasche Auszählung kennt auch Stein, nur: "Das ist uns vom Bundesminister abwärts egal." Präsident Holzinger nimmt das als Versprechen, dass Stein künftig auf den Minister einwirken werde, "dass Qualität vorgeht" und nicht die Ergebnisverkündung in der "Zeit im Bild" um 19.30 Uhr.

Noch eine neue Erkenntnis: Zwischen Öffnen und Schneiden von Wahlkarten könnte ein entscheidender Unterschied bestehen. Laut Zeuge T. ist es nicht möglich, das Stimmkuvert aus einer maschinell aufgeschlitzten Wahlkarte zu entnehmen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das und anderes haben die Richter am Nachmittag intern beraten. Die von Norbert Hofer eingebrachte Anfechtung wurde gleich einmal abgelehnt. Die Mitarbeiter des VfGH leisten dafür etliche Überstunden.

Wer auch immer am Ende Präsident ist: Am Mittwoch wurde im Parlament jener Unterausschuss eingerichtet, der sich mit dessen künftigen Kompetenzen befassen soll. Alexander Van der Bellen hat seine für 24. Juni geplante Reisebegleitung für Heinz Fischer nach Slowenien jedenfalls abgesagt. (Karin Riss, 23.6.2016)