London – Einen Tag vor dem Brexit-Referendum hat der britische Premierminister David Cameron seinen für einen EU-Austritt agitierenden Justizminister Michael Gove als "durchgeknallt" attackiert. Gove hatte zuvor versucht, pro-uropäische Wirtschaftsexperten mit einem Nazi-Vergleich zu diskreditieren, berichtete die Zeitung "The Guardian".

Cameron äußerte sich am Mittwoch bei einem gemeinsamen Auftritt mit der früheren Labour-Chefin Harriet Harman und dem konservativen Ex-Premier John Major. Cameron hatte seinen Ministern freigestellt, für oder gegen den EU-Austritt zu agitieren. Er selbst macht sich für einen Verbleib in der EU stark. Justizminister Gove, ein langjähriger enger Weggefährte des Premiers, ist der prononcierteste Vertreter der Austrittsbefürworter im Kabinett.

Wirtschaftsexperten gegen Brexit

Der Premierminister hatte in den vergangenen Wochen vor allem wirtschaftliche Argumente für einen Verbleib in der EU vorgebracht. Namhafte Wirtschaftsexperten stützten diese Argumentation, indem sie vor einem massiven Konjunktureinbruch und Jobverlusten warnten. Schatzkanzler George Osborne kündigte an, bei einem Brexit mit einem milliardenschweren Sparpaket gegensteuern zu müssen.

Vor diesem Hintergrund versuchte Gove, die Glaubwürdigkeit der wirtschaftlichen Argumente gegen einen Brexit in Zweifel zu ziehen. "Wir sollten sorgfältig mit historischen Vergleichen sein, aber die deutschen Behörden haben in den 1930er-Jahren Albert Einsteins Theorien verunglimpft, und einer der Gründe war natürlich, dass er Jude war", sagte Gove. "Die Regierung hatte 100 deutsche Wissenschafter im Sold, damit sie sagten, dass er falsch lag, und Einstein sagte: 'Schaut, wenn ich falsch liege, dann hätte doch einer gereicht.'"

"Durchgeknallt"

Cameron reagierte im TV-Sender Sky scharf auf die Aussagen seines Ministers. "Wenn man von der Austrittskampagne hört, dass sie unabhängige Experten und Ökonomen mit Nazi-Sympathisanten vergleichen, dann denke ich, dass sie durchgeknallt sind." Die Experten seien "unabhängig" und es befänden sich Nobelpreisträger und Manager darunter, die tausende Jobs geschaffen hätten, sagte der Premier.

Gove ist längst nicht der erste, der in der Referendumskampagne Nazi-Vergleiche bemüht. Beide Seiten versuchten etwa Kriegspremier Winston Churchill zu vereinnahmen. Die Führungsfigur des Austrittslagers, der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson, sagte, dass die EU wie schon Napoleon oder Hitler einen europäischen Superstaat schaffen wolle. Wie schon im einsamen Kampf gegen Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg hätten die Briten auch heute wieder die Gelegenheit, "die Helden von Europa" zu sein, meinte Johnson. (APA, 22.6.2016)