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Die "Special Relationship", mit der die USA und Großbritannien verbunden sind, hört sich spätestens bei den wirtschaftlichen Beziehungen auf.
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Von der "Special Relationship" zum Vereinigten Königreich ist zwar bisweilen noch immer die Rede im Weißen Haus, aber wenn, dann wissen alle Beteiligten, dass es sich eher um rhetorische Pflichtübungen handelt. Um verbale Beruhigungspillen für britische Staatsgäste, die penibel darauf achten, dass die Gastgeber den Begriff nicht vergessen.

Wie man in Wahrheit über die Sonderbeziehung denkt, war neulich in einer Studie des Thinktanks Atlantic Council zu lesen. Demnach sei die "special relationship" nur so etwas wie ein nostalgiebeladener Mythos. Und dass ein Großbritannien, das mit der EU bricht, auf der Prioritätenliste Washingtons weiter abrutschen dürfte, hat Barack Obama bereits im April in London ganz ohne Wortgirlanden zu verstehen gegeben. Das Land müsste sich am Ende der Warteschlange einreihen, wenn es anstelle des angepeilten TTIP-Pakts ein eigenes Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten aushandeln wolle, sagte der Präsident. Es war weniger eine Drohung als eine nüchterne Beschreibung der Realität. Wer weiß, wie mühsam es ist, solche Verträge durch einen US-Kongress zu bringen, in dem es an protektionistischen Stimmen nicht fehlt, kann ungefähr ermessen, welchen Hürdenlauf ein "Klein-Britannien" zu absolvieren hätte – zumal die großen Handelsblöcke in aller Regel Vorfahrt haben.

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Zwei ehemalige US-Außenministerinnen warnen vor dem Brexit.
Foto: Reuters/Latif

Offener Brief an die Briten

Inzwischen haben 13 amerikanische Außenpolitiker von Rang in einem offenen Brief vor den Folgen eines Brexit gewarnt. Die Rolle des Königreichs in der Welt würde leiden, zugleich würde Europa empfindlich geschwächt, schrieben sie. Großbritannien sollte besser nicht auf die "special relationship" bauen, um sein Gewicht zu wahren. Die nämlich würde keineswegs ausgleichen, was es an Einfluss einbüße. Zu den Unterzeichnern zählten die Außenminister Ronald Reagans und Bill Clintons, George Shultz und Madeleine Albright, ein Republikaner und eine Demokratin.

Unter den maßgeblichen Strategen der USA herrsche in einem Punkt Einigkeit, doziert Fred Kempe, der Chef des Atlantic Council: Die "special relationship" wäre weniger speziell, wenn die Briten in Europa weniger zu sagen hätten. Natürlich blieben sie auch außerhalb der EU ein wichtiger Partner, beim Militär, im Handel, als Kulturmacht. "Doch wenn es darum geht, gemeinsam globale Probleme zu lösen, ist es viel besser, wenn sie drin sind." Man schätze sie als pragmatische Stimme im europäischen Club.

Eingeschränkter Aktionsradius

Es ist nicht nur die Aussicht, dass jener Verbündete, auf den sich die Amerikaner fast blind verlassen können, seinen Aktionsradius empfindlich einschränkt. Genauso ausgeprägt ist die Angst vor einem Dominoeffekt, sodass womöglich bald andere EU-Mitglieder über ähnliche Referenden nachdenken.

Donald Trump ist für einen britischen Austritt aus der EU. Seine Argumentationsführung im US-Wahlkampf und die der britischen EU-Gegner ähnelt sich streckenweise.
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Nur spiegelt die Brexit-Debatte eben auch wider, wo im inneramerikanischen Diskurs die Gräben verlaufen. Eine Gruppe texanischer Separatisten, das "Texas Nationalist Movement", sieht in einem Großbritannien, das sich aus Brüssel verabschiedet, ein Vorbild, dem die Texaner nacheifern sollten, indem sie mit Washington brechen und die Unabhängigkeit ausrufen. Donald Trump hat wissen lassen, dass er einen Brexit begrüßen würde, zumal dessen Befürworter ähnlich wie seine eigenen Anhänger die Angst vor unkontrollierter Einwanderung umtreibe. "Ich denke, die Migration ist eine schreckliche Sache für Europa, und vieles davon ist auf Druck der EU geschehen. Ich persönlich glaube, dass die Briten ohne die EU besser dran wären." Hillary Clinton hat vehement widersprochen, nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen. Ein Ja für den Brexit, fürchtet sie, würde den Tycoon mit seinen nationalistischen Parolen im Aufwind segeln lassen. (22.6.2016)