Am Verfassungsgerichtshof wird gerade die Verfasstheit Österreichs verhandelt. Was sich da vor den höchsten Richtern des Landes und dem Land offenbart, entspricht dem ungeschriebenen Grundgesetz des überlockeren Österreich: das Prinzip Schlampigkeit.

Augenzwinkernd schlängelt sich der gelernte Österreicher zwischen Gesetzen hier und Vorschriften da durchs Dasein. Ist doch auch irgendwie sympathisch, nicht alles so preußisch, so pedantisch, so ordentlich, so korrekt anzugehen. Man muss doch wirklich nicht alles so ernst nehmen. Lassen wir unsere Nachbarn zwänglerisch sein, wir Österreicher, wir nehmen's nicht so genau.

Bei Rechnungen, ja, da kann man doch reden, da lässt sich schon was machen. Gut, jetzt gibt es diese Registrierkassenpflicht, aber auch da müssen Ausnahmen möglich sein – das sieht ja jetzt sogar der Gesetzgeber ein. Und dass Banker für sorglos vergebene Kredite in Haft landen, das ist doch ein Affront. Sagen viele, und flugs ist der Straftatbestand der Untreue schon verwässert.

Bei so vielen Regeln, sagen auch viele, da kann man schon ab und zu ein Aug' zudrücken. Ob im Alltag, in Vorständen, in Aufsichtsräten, in Staatstheatern, in Banken – oder bei Wahlen: Wegen ein paar Ungenauigkeiten werden wir doch keinen Richter brauchen. Oder?

Österreichs schlampiges Verhältnis zur Korrektheit: Das wird gerade verhandelt. Und das kann teuer werden. (Renate Graber, 21.6.2016)