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Gedenken an die 49 Opfer des Attentats von Orlando. Wie stark wird die US-Wahl durch die Tat beeinflusst?

Foto: Reuters/Carlo Allegr

Wien – Orlando zieht die Politik ins Stimmungstief. Die Debatte rund um den Attentäter, der in einem Nachtklub in Florida 49 Menschen getötet hat, wirft auch einen Schatten auf die US-Präsidentschaftswahl. Berichte und Kommentare bringen die Diskussion um die Kandidaten Donald Trump und Hillary Clinton in verstärktem Maß mit Themen wie Terrorismus und US-Waffengesetzgebung in Verbindung. Als eine Woche davor Präsident Barack Obama eine Wahlempfehlung für Hillary Clinton abgegeben hatte, zeigte sich noch ein ganz anderes – für Clinton viel positiveres – Bild.

Ein Diagramm, das diese Stimmung im Netz zum US-Wahlkampf abbildet, lässt sich am "US Election 2016 Web Monitor" abrufen, den Arno Scharl und sein Team vom Institut für Neue Medientechnologie der Modul University Vienna eingerichtet haben. Der Onlineservice zeigt die Fähigkeiten der "webLyzard Web Intelligence Plattform", an der die Entwickler seit mittlerweile 15 Jahren arbeiten. Sie dient dazu, globale Informationsflüsse zu analysieren und übersichtlich aufzubereiten, Meinungstrends abzubilden und Schwerpunkte in der Berichterstattung – auch geografisch – zu verorten.

"Die politische Sphäre, die auf dem Austausch von Meinungen gründet, ist ein Paradebeispiel für die Anwendungsmöglichkeiten der Plattform", sagt Scharl. Die negativen Assoziationen der letzten Woche bedeuten dabei aber nicht, dass Negatives über die Kandidaten selbst gesagt werde. Die Stimmungsanalyse sei keine Erfolgsmessung. "Es geht darum, Meinungsführer zu identifizieren und die Transparenz des öffentlichen Dialogs zu erhöhen."

Für die Wahlanalyse untersucht das System mehr als acht Millionen Dokumente im Monat, die alle zehn Minuten automatisch abgefragt, in ihrer Relevanz eingeschätzt, beschlagwortet und aufgrund von Stichworthäufigkeiten und -kombinationen auf ihre Stimmungstendenz hin untersucht werden. Die Quellen werden in die Bereiche Nachrichtenmedien, Social Media und Einschätzungen von Nichtregierungsorganisationen unterteilt.

Anschaulich machen

Auf dem unter us2016.weblyzard.com frei zugänglichen Webmonitor werden die Daten veranschaulicht. Grafiken zeigen, wie viel Aufmerksamkeit die Kandidaten jeweils bekommen, in welcher Frequenz über sie berichtet wird und ob die Stimmungslage – fachsprachlich das "Sentiment" – eher positiv oder eher negativ ist.

Neben einer Aufbereitung und Kategorisierung von Suchergebnissen wird die Verteilung der Suchergebnisse auf einer Landkarte verortet, Schlüsselwörter werden in Kontextgrafiken aufbereitet, die Häufigkeit von Schlagwörtern wird visualisiert. Damit soll vergleichbar werden, welche Themen mit den Kandidaten assoziiert werden und ob regionale Unterschiede in ihrer Popularität bestehen. "Man sieht zum Beispiel gut, wer sich mit Themen wie erneuerbaren Energien beschäftigt und wer nicht", so Scharl.

Ein derartiges System, das die veröffentlichte Meinung in Minutenintervallen untersucht, sei eine gute Ergänzung zu repräsentativen Umfragen, in denen spezifischen Fragestellungen nachgegangen wird, erklärt Scharl. Ersetzt können die Umfragen damit aber nicht werden.

Social-Media-Stimmung

Seit 2008, als die damalige Version des Systems bereits einmal die US-Wahl begleitete, habe sich viel getan. Nicht nur die Genauigkeit und Treffsicherheit der Auswertung wurde verbessert, auch die Zahl der Dokumente, die mit den verschiedenen Analysemethoden durchforstet werden können, ist gestiegen. Die visuelle Präsentation wurde zudem vollkommen neu entwickelt.

Mit dem Werkzeug können auch Nachrichten und Inhalte aus Social Media verglichen werden. Die Social-Media-Welt sei kurzlebiger, emotionaler und in den Urteilen eher ins Negative verschoben, sagt Scharl. "Ein Tweet, der Frust ablädt, ist wahrscheinlicher als ein Lob der Politik."

Die Analyse dieser beiden Sphären ist auch bezüglich der besonders polarisierenden Wirkung des republikanischen Kandidaten Donald Trump aussagekräftig. Betrachtet man allein die Nachrichtenquellen, ist zu sehen, dass er die Berichterstattung quantitativ dominiert, die Stimmungslage der Berichte allerdings alles andere als gut ist: viel Frequenz, negatives Sentiment.

Blickt man aber auf die Stimmung nur im Social-Media- Bereich, also ohne News- und NGO-Quellen, zeigt sich ein differenzierteres Bild. Hier ist die Trump-Stimmungslage weniger stark ausgeprägt, teilweise ist das Sentiment sogar positiver als jenes im Umfeld von Clinton. "Hier wird ein nicht ganz so eindeutiges Bild gezeichnet wie in den Nachrichten. Die Stimmung ist insgesamt ausgeglichener verteilt", erklärt Scharl. (Alois Pumhösel, 26.6.2016)